(Strittig, umstritten;> < polemisch, streitlustig)
Jemand sollte sich wirklich mal die Arbeit machen und den zunehmenden Bereich von Adjektiven ausloten, die nicht mehr zwischen Eigenschaften des Objekts und denen des Subjekts unterscheiden lassen, also die Qualitäten des Objekts unmittelbar dem Subjekt anlasten, oder umgekehrt.
Das Angelsächsische ist eine Fundgrube dieses Begrabens der gewußten Widersprüche in einer small-talk-Kultur
Da macht einer theoretisch Amnesty international nieder und ist praktisch selber Mitglied!
Da reißt einer immer noch sein Maul auf gegen den Kapitalismus und spekuliert selber an der Börse!
Der Fehler des moralischen Denkens: es macht ein Obwohl an die Stelle, wo ein Weil hingehört.
Hätte diese Form des Denkens Recht, dürfte keiner den Krieg kritisieren, obwohl er selber dabei mitmacht.
Und an der Mittäterschaft nicht vorbeikommende Staatsbürger, die sehr grundsätzlich am Staat herummäkeln, stünden kurz vor ihrer Einweisung ins Irrenhaus, statt im Verfassungsschutzbericht.
Der Gläubige, der gern einen Beweis für die Glaubwürdigkeit seiner Sache hätte, ist noch viel dümmer dran, als der verschmitzt - dümmliche Kämpfer für den Unglauben, der dasselbe fordert.
Bubenstreiche
André Breton befestigte ein Kruzifix an der Kette des Spülkastens seines Klosetts und glaubte, dass er damit das Christentum auslöschte.
Die Freveltaten der Max und Moritz sind dennoch nicht einfach mit einem Verschroten zu Entenfutter erledigt.
Mit großer Ungeduld erwartet man, dass eines schönen abends die Fernsehgesellschaft nicht mehr sich in Notwehrexzessen gegen die versammelten Achsen des Bösen zusammenrottet.
Sie wäre sich endlich selbst auf die Schliche gekommen.
Die Verständigungshilfe „Interesse“ ist heute geradezu unverständlich geworden, wenn man sieht, wie verächtlich von ihm gesprochen wird.
Am ehesten und quasi automatisch versteht man im Zeithorizonnt darunter noch die vorpolitische, romantische Kategorie des Interessanten, also das nichtigste Urteil über alles - ansonsten leere - Mögliche, dem überhaupt nur Belang zukommt beim exotisierten Hinblicken der es würdigenden Subjektivität. Jeder anderen Eigenschaft bar, spricht das Ich seine bloße Beziehung dazu aus, glaubt aber sehr wohl, Triftiges darüber vermeldet zu haben.
Dabei ist es so einfach. Beim Inter-Esse steckt man bis über beide Ohren mitten drin. Und da wäre es nicht schlecht etwas genauer zu wissen, worin denn nun, und wie man dabei ausschaut. Da liegt also jede Menge Klärungsbedarf vor.
Nicht so bei der Psychologisierung, zu der das elende Adjektiv des älteren Liberalismus, nämlich dessen Erfindung eines „wahren“ Interesses einlädt. (Als ob es ein eingebildetes Dazwischen-Eingeklemmtsein gäbe.)
Der auto-biographischen Introspektion fällt nämlich gleich auf, dass eine authentische Aussage über die Konstitution eines Subjekts aus dessen Idolisierungen und Verwerfungen, Illusionen und Revokationen usw. nicht möglich ist. Es entdeckt genauestenfalls etwas Zurechtgeschütteltes als Resultat, das man ex post sich als eigenhändig entworfene Willensleistung zurechtinterpretieren kann. Stoff aller Autobiographien seit jenem - in seinem Anspruch durch und durch verlogenen Bekenner - Augustinus und den deutschen Bildungsromanen.
Immer wird da das Interesse so gehandhabt, als ob man es oder ein anderes „hätte“ oder gefasst habe. Sozusagen ein Ding mit Stil zum Anfassen, das man auch wegschmeißen kann.
So kommt die Selbsttäuschung wohl noch am schnellsten heraus: aus seiner Stellung in der Welt kann man wohl aussteigen, aber solange man eben“ inter est“ ist völlig egal, wer - außer dir - noch so alles verliert.
Memoiren
sind Apologien des Herrn, also der hochangesehene Selbstbetrug honetter Leute.
Von Aratos bis Adenauer schreibt der nieder, was ihm an Gutem über seine Taten im Gedächtnis geblieben ist.
Der Knecht hingegen schreibt seine Autobiographie, wenn seine Prominenz ihm den Absatz seines Stiefels im Gesicht des Publikums sichert. „Ich hab´ s allen gezeigt.“
Gelesen werden beide von Leuten, die sich Tipps bei den Erfolgreicheren abgucken wollen.
Ihre gelegentlich auftauchenden Fakten haben nichts mit Wahrheit zu tun. Dafür machen sie einfach zu viel Sinn.
Dem Möglichen, das eigentlich keine Grenzen kennt, weil es nichts Wirkliches ist, setzt jeder Satz des Gewalthabers Grenzen,
nur dem Unmöglichen, das seine sich selbst vernichtende Grenze in sich trägt, wird von ihm generös Grenzenlosigkeit zugeteilt.
Begriff und Vorstellung
Wenn einer sich so anhört, als rede aus ihm die Realität selbst, liegt die Vermutung nahe, er sei im Begriff dessen, worüber er spricht.
Sagt sich dann der Zuhörer insgeheim: “Das kann ich mir nicht vorstellen,“ dann wird aus dem Verdacht fast schon Gewissheit.
Der Rest ist Gedankenarbeit.
Mit den Morgenwinden der Sonne entgegen und auf das äußerste der sieben Meere zuzufliegen, bringe keine Hoffnung, heißt es, sondern nur immer eine neue Wiederbegegnung.
Mir ist das eigentlich ganz recht so.
Habe dem old chap bei unseren Selbstbegegnungen immer gern aufmunternd auf die Schultern geklopft, wenn ich ihn wieder mal dabei erwischte, wie er über versunkene Reiche nachbrütete, und über den zweifellos verdienten Untergang aller Imperien.
Wussten Sie eigentlich schon, dass Petronius mit seinem Werk„Satyrikon“ nicht wegen seiner leichtfertigen Behandlung der Sexualität auf den päpstlichen Index geriet, sondern wegen seiner irreverenten Verhöhnung des Glaubens an Hexen, welcher 1500 Jahre vor seiner längst fälligen Abstrafung den unverschämten Beweis anzutreten sich befugt wähnte, dass man auch ohne ausdrückliche Erlaubnis durch die Kirche sich was Richtiges denken kann?
Bei Heraklit lesen wir, das Volk müsse „um das Recht kämpfen wie um die Mauern der Stadt.“
Und das war es auch schon, was da ins Fließende geworfen wurde, und bei uns anlandete.
Falls sich jetzt ein Leser fragen sollte, ob da gekämpft werde
-von außen, um in die antike Konsumentenstadt rein zu kommen,
-oder von innen, um die Ansprüche der Hungerleider von außen abzuwehren,
-seine Wißbegierde ist genau auf die richtige Spur gesetzt, aber noch lange nicht damit fertig.
Man kann aber stattdessen auch Jura studieren.
Aperçus désagréables
Es gibt einen wesentlichen Unterschied zwischen Aperçu und Aphorismus.
Das kurze, prägnante, geistreiche Bonmot ist ein blendendes Aufzucken des Geistes in den Finsternissen der Konversation. Es endet mit dem Zünden des Witzes.
Der Aphorismus beginnt überhaupt erst jenseits dieser plötzlichen Erhellung der Nacht und geht über in ein langes Wetterleuchten.
Das Aperçu gehört in die literarische Kategorie des Spruchs. Es hebt nur dessen intellektuelle Behäbigkeit durch eine überraschende ironische Illumination auf. Der Aphorismus dagegen ist auf dem Wege zum Essay, den der ihm geneigte Leser selber schreibt.
Unangenehm wird es, wenn Jack the Ripper und sein notorischer Beistand für eine überlastete staatliche Gerechtigkeitspflege sich auf der Brücke des schwarzen Humors begegnen.
„Was den Staat in Religionsdingen allein interessieren darf, ist: wozu die Lehren derselben anzuhalten sind, damit er nützliche Bürger, gute Soldaten, und überhaupt getreue Untertanen habe." Dieser markige Spruch stammt nicht aus der Feder eines Denunzianten oder eines Hetzers, sondern ein Holzhacker namens Kant führt hier die aufgeklärte bürgerliche Vernunft am Werke vor.
Denkfigur
Methodische Schablone einer Form, die Inhalte schon transportiert, bevor sie überhaupt da sind.
Die Gedanken siehind frei...
Es müssen aber schon welche sein, und nicht bloß trübe Leidenschaften, die sich als solche kostümieren.
Ritualisierte Formen von Feindschaft dienen letztendlich dem sozialen Zusammenhalt, indem sie einen kontrollierten Ausdruck von Feindseligkeit gegen die autorisierte Gewalt zur Verfügung stellen.
Wohl dem Staat, der zwischen der Ventilfunktion der Satire und einem Aufruf zur Gewalt zu unterscheiden weiß, und vor allem: eine gezielte Verwechslung nicht nötig hat!
Erziehungsberechtigte Erwachsene geben gerne mit dem Spruch an: „Kleine Kinder treten dir auf die Zehen, große mitten ins Herz.“
Wahrlich ,wahrlich, ich sage euch:
Wer versucht, den zersprungenen Kristall eines Kinderherzens zu streicheln, holt sich blutige Finger.