Sonntag, 7. Februar 2010

Reisen und Flanieren

Bevor ich mich besinnungslos in die nächste Unternehmung stürze, sei etwas über das Reisen vermeint.

Es gibt keine Rechtfertigung dafür.

Die Unverantwortlichkeit schlechthin.

Ich kann noch nicht mal für mich reklamieren, dass ich im zarten Alter des Studiosus noch irgendwie auf der Suche sei.
Übrigens und am Rande: es kommt bei dessen Suche immer nur eins raus: Zu Hause ist alles besser.
Gehört er allerdings mehr zur kaufmännisch veranlagten Sorte, wird er als überzeugter Sesshafter die Aufmerksamkeit der Tourismusströme zumindest versuchsweise umleiten.
Ganz anders die Flaneure, über die Tucholsky gut Bescheid wusste:
Flaneure
Du musst auf deinem Gang
durch Städte wandern;
siehst einen Pulsschlag lang
den fremden Andern.
Es kann ein Feind sein,
es kann ein Freund sein,
es kann im Kampfe dein
Genosse sein.
Es sieht hinüber
und zieht vorüber ....
Zwei fremde Augen, ein kurzer Blick,
die Braue, Pupillen, die Lider.
Was war das?
Von der großen Menschheit ein Stück!
Vorbei, verweht, nie wieder.
- Kurt Tucholsky, 1930
-
Wir lesen uns also nach Thailand erst Anfang März wieder.

Diese wundervolle Suggestivität der letzten Sätze

- Jemand warf einen toten Hund ihm nach in die Schlucht. (Malcolm Lowry, Unter dem Vulkan)

- Kein Geistlicher hat ihn begleitet. (Goethe, Die Leiden des jungen Werther)

- Aber an K. s Gurgel legten sich die Hände des einen Herrn, während der andere das Messer ihm tief ins Herz stieß und zweimal dort drehte. Mit brechenden Augen sah noch K., wie die Herren, nahe vor seinem Gesicht, Wange an Wange aneinandergelehnt, die Entscheidung beobachteten. „Wie ein Hund!“ sagte er, es war, als sollte die Scham ihn überleben. (Kafka, Der Prozess)

- Sie herrscht, und ich diene, und wenn ich meinen ganzen Mut sammle und Widerstand leiste, gewinnt sie immer, im Namen des Gehorsams, der Vernunft und der Angst. (Anna Mitgutsch, Die Züchtigung)

- Weh dem, der Symbole sieht! (Samuel Beckett, Watt)

- Er war sich bewusst, dass er – in all der Wirrnis und würdelosen Hanswursterei dieses Lebens, das wir durcheilen -, dass er die Satzungen seines Vertrages erfüllen musste; und er erfüllte sie. Diese Satzungen, von denen im innersten Herzen jeder Mensch weiß. Wie ich von meinen weiß. Wie alle wissen. Denn das ist die inneliegende Wahrheit – dass wir alle wissen, Gott, dass wir wissen, wir wissen, wir wissen. (Saul Bellow, Mr. Sammlers Planet)

- Im Augenblick aber stehe ich, unwissend und verständnislos, gleichsam auf der Schwelle zwischen Leben und Tod, mein Körper strebt Richtung Tod, mein Kopf dreht sich zum Leben um, mein Fuß holt unschlüssig zu einem Schritt aus. Einen schritt wohin? Egal, denn wer den Schritt tut, bin schon nicht mehr ich, das ist ein anderer... (Imre Kertész, Ich – ein anderer)

- Ich erkläre mich als im Zustand des totalen Krieges. (Fritz Zorn, Mars)
-
Man sollte überhaupt nur Bücher lesen, mit deren letztem Satz man einverstanden ist. Die Unsitte, Bücher zu kaufen, durch deren erste Sätze man sich hat hinreißen lassen, sieht sich nämlich schwer bestraft, wenn die erbrachte Leseleistung im Verkleckern eines nichtssagenden Abschlusses endet.-

Mystifikation

bedient sich
1.der Phantasterei: Der Überredende entstellt die Realität, in dem er sie zum erkenntnisähnlichen Mythos macht.
2. der Verstellung: Der Redner ironisiert, er wird zu einem mit Sinnangeboten spielender Verführer.
3. der Heuchelei: er verbirgt sich seine eigenen Fragen und Zweifel. Der Überredete ist Beweis dafür, dass er richtig liegt. So entsteht Gemeinde.
4. der Verführung: Der Redner kann seine Darstellung nicht beendigen, wenn nicht etwas im Zuhörer ihm entgegenkommt.
5. der Verachtung: Der Redner entstellt während seiner Rede nicht nur die Realität, er vertauscht auch den Beziehungsaspekt unter den Adressaten.

Hierher gehören:
- alle Sekten samt jener kirchlichen Vereine, die Sektenbeauftragte aus sich hervorbringen;
- die Demagogen des Parteiensystems;
- Philosophen;
- 100 % der schöngeistigen Literatur.
Man sieht: nicht alle Mystifikation ist schädlich.

Samstag, 6. Februar 2010

Ausfahrten

Als Camoes, der Dichter des portugiesischen Nationalepos, mit eben dieser Feier heroischer Welterschließung nach Lissabon zurückkehrte, erinnerte sich am Hofe keiner mehr, noch nicht einmal seines Namens.
Sieben Jahre Gestank ungewaschener Männer, das Jucken und Scheuern des Salzes zwischen den Schenkeln, nur die Läuse entbehrten nichts in der tropischen Feuchte von Goa bis Macao.
Und jetzt dieser König, abgestumpft von Frauen und Prälaten!

Wo der Feind an den Grenzen liegt, die Pest herrscht, Erdbeben drohen, man das Volk unterdrückt, Kloster auf Kloster stiftet und Ketzer umbringt, da bleiben für das Heldengedicht nur Hohn und eine später gestiftete Erinnerung.

Oder Jacob van Roggeveen, der mit wenig Sitzfleisch Behaftete!
Auf der Suche nach der Terra Australis entdeckt und benamst er 1722 die Osterinsel Rapa Nui.
Den gefährlichen Zug durchs Unbekannte besteht er und kehrt verwundet und krank nach Batavia zurück, wo die Niederländische Ostindienkompanie ihn anklagt, ihr Handelsmonopol verletzt zu haben. Er wird arretiert und seine Schiffe werden beschlagnahmt und verkloppt. In dem folgenden Rechtsstreit, der mit einem Vergleich endete, erhielt er jedoch eine Entschädigung und seine Mannschaft doch noch den ausstehenden Sold.
Gründlich bekannt gemacht mit der Prioritätensetzung hienieden fasste er schon früh eine Vorliebe für einen mystisch angehauchten Spinozismus und tat sich als Herausgeber des vierten Bands der Werke Pontiaan van Hattems hervor.
Er hatte Glück: man steckte ihn nicht wie andere frühe Aufklärer ins Irrenhaus, aber wer spricht schon mit einem gottlosen Narren, der von der Kanzel niedergemacht wird?
Daß es ihn überhaupt gibt, erfährt Jacob van Roggeveen auf seinen Spaziergängen durch Middelburg an den vorsichtig zurückgezogenen Gardinen der ihn Belauernden.

Freitag, 5. Februar 2010

Die Wörter und die Dinge

... Zum Beispiel sehe ich seit Jahren auf einer Autobahnbrücke ein eierschalenfarbenes Auto parken - nicht mit den üblichen zwei Seitenfenstern, sondern mit derer luxuriösen vieren, also eine Art überlanges Doppel-Auto auf seinen normalen vier Rädern. Dass das in der Mitte nicht durchhängt? Hat das ein Chassis aus Carrara-Marmor?
Gestern lese ich einen Roman von DeLillo, wo eine Stretch-Limousine vorkommt. Und schon passt das namenlose, nur mit Umschreibungen weitergebbare Auto-Dings mit dem neuen Wort zusammen.
Dass die Dinge allmählich überhand nehmen, für die ich keinen Namen weiß, war mir erstmals in Peter Careys Romanen und später in der Pop-Literatur aufgefallen. Streckenweise konnte ich noch nicht einmal raten, worum sich´ s bei den Aufzählungen aus der kaufbaren Dingewelt handelt. Wollte mir schon ein australisches Pendant zum Quellekatalog anschaffen.
Da fiel mir gerade noch rechtzeitig ein, worin Epiktet nun wirklich recht hat: „Wie zahlreich sind doch die Dinge, die ich nicht brauche.»
Und sie werden immer mehr. Und waren damals schon zu viele.
Mir fehlt in solchen Fällen zu dem Wort einfach das Ding.
Ob aber, den Zusammenhang von Laut und Bedeutung zu wissen, sich in dem Falle überhaupt lohnt?

Ich weiß, dass ich keine Ahnung vom „XY-Generator mit linksgetriebenem Überschall-Servolator“ habe. Das schadet aber weder mir noch meinen Zeitgenossen. Im Bedarfsfalle greift hier die bloße arbeitsteilig erstellte Wörterbücherei.

Bei der „neuen Weltordnung“ oder dem „Terrorismus“ und „unseren Interessen“ ist das ganz anders. Diese Bezeichnungen verdanken sich keineswegs einer Art Straßenverkehrsordnung und ihrer Festlegung, auf welcher Straßenseite denn nun gefahren zu haben werde, auf dass niemandes Interesse zu Schaden komme.

Nichtsnutzige Skepsis

Ich habe nichts gegen intellektuelle Bescheidenheit von der Sorte: „Ich weiß, dass ich nichts weiß.“
Die meisten tun sowieso unentwegt so, als trügen sie mehr an der Bürde des Wissens als ihrem Kreuz gut tut.
Ich weiß aber aus Erfahrung, dass dieses „Ich weiß, dass ich nichts weiß“ keineswegs der Startschuss dafür ist, dass einer sich jetzt aus Einsicht in einen Mangel auf den Weg der Besserung macht und sich schleunigst nach Wissen umtut.

Im Gegenteil: so einer wird auf einmal pampig und gibt uns zu verstehen, weil er nix weiß, habe gefälligst auch sonst keiner sich auf der Welt auszukennen. Im Handumdrehen sieht man sich an den Pranger der Arroganz versetzt. Und das alles ohne irgendein Argument zu oder über irgendwas.
Unsereiner ist also methodisch korrekt zur Sau gemacht. Den meisten aus der Hetzmeute genügt das. Und nachdem das Familienrudel im Verein kräftig in meine Richtung gespuckt hat, zieht es befriedigt weiter.

Da sitze ich nun in meinem todschicken Prangerkäfig und habe jede Menge Zeit über meine Unwissenheit nachzudenken.

Donnerstag, 4. Februar 2010

Neues Denken

Auf den Regierungsbänken
Spricht man vom neuen Denken.

Kein Wunder, dass das Denken in Verruf geraten ist, wenn Leute, die noch nicht einmal die ernüchternde Gegenwart des Üblichen im Gedanken erfasst haben, jetzt plötzlich sich dazu wortwörtlich ermuntern, „in neuen Zusammenhängen zu denken“.
Da Politiker sozusagen die Kondensatoren der Dummheit sind, wundert dieser neuerliche Beweis machtvoller Beschränktheit überhaupt nicht.
Was die da kondensieren, liegt eh schon länger in der Luft, allwo man ein
- „in die selbe Richtung denken“ vorfindet, und sich davon etwas Gehaltvolles verspricht; und das eine oder andere
- „angedacht“ wird;
- je nach Opportunität mal „lokal denken“ angesagt ist, oder doch lieber „global“;
- einer scheidenden Moderatorin ein „wissendes Lächeln“ zugestanden wird;
- es sogar ein Erkenntnis> <interesse geben soll;
- zu befürchten steht, dass es demnächst im Fernsehen ein „Abenteuer Denken“ geben wird. Die Ver-Abenteuerung von Leben gibt’s schon.
- Vordenker geisten gebildet durch die Medien, und erlaubt ist Nachdenken des Vorgedachten auf Nachdenkseiten.
- Erlaubt ist auch ein kritisches: “Das kann ich nicht nachvollziehen.“, womit klar sein dürfte, worin Denken heute besteht: Identischwerden, Sich-Einfinden im Pferch des Novus ordo Seculorum, den das Große Siegel der Staaten auf der Eindollarnote nicht nur verspricht.
- Da die leicht fassliche Sprache der Brutalität, die in jedem Dollar steckt, jeder versteht, erübrigt sich das Denken tatsächlich.

Deutungskunst
Es gibt einen feinen, egoistischen Dünkel, der es mit seiner enthusiastischen Feier des ausschließlich individuellen Zugangs zu schlechterdings ALLEM zu großem Ansehen unter den Auslegern gebracht hat: die Hermeneutik.

Mittwoch, 3. Februar 2010

Zur Kunst der Schmähung

Von Experten der individuellen Psycho-Hygiene und von sozialen Erlösungsprogrammatikern im demokratischen Hier, und dem kapitalistischen Jetzterstrecht, wird schon seit längerem vom Dagegen - Sein als einer obsoleten Disposition stark abgeraten.
Hass, Zorn und andere anti-soziale Gefühle zeugten von einem unedlen Charakter, der sich zudem selber schade. (Mit anteilnehmend-verständiger, tiefer Stimmlage zu sprechen):
Du hast ja so viel Gift in dir.“
Dieses ressentimentgeladene Oppositionellentum überhaupt sei ein Modell aus dem 19. Jahrhundert, das in den heutigen gewaltig ausdifferenzierten Verhältnissen nicht mehr, und nichts mehr greife.

Siehe da, es gibt also nicht nur die schrecklichen Simplifikateure, es wimmelt heute geradezu vor terriblen Komplexifikateuren, die vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr sehen, aber gerne in verächtliches Gelächter über Naivität ausbrechen, sobald da einer meint, er stehe wohl im Wald! Wo denn hier ein Wald sei…? Und ob man noch nichts von der Nichtexistenz der Bedeutung gehört habe…und überhaupt müsse man das alles erst mal zu verstehen versuchen…obwohl es da eigentlich gar nix zu verstehen gäbe…

Diesen Propagatoren der Gegenstandslosigkeit allen Denkens hätte ich gerne was Beispielhaftes mit Ewigkeitswert in ihr Derrida´ sches Poesiealbum geschrieben:

1. Über den Steuereintreiber der spanischen Krone, einen gewissen Christoph Kolumbus, liest man folgende dokumentierten Gepflogenheiten im Umgang mit den zu Steuerpflichtigen umdefinierten Indianern: Wo sich Gold befand ... musste jede Person ab 14 Jahren ein großes Glöckchen mit Goldpulver abliefern, alle anderen 25 Pfund Baumwolle. Wer seinen Tribut zahlte, erhielt eine Münze, die er am Hals tragen musste. Jeder Indio, der ohne Münze angetroffen wurde, wurde mit dem Abschneiden der Hände bestraft.

2. Der Räuberhauptmann Janos Janoschik hatte bei seiner Berufswahl offensichtlich einen ganz und gar niederträchtigen Schluss gezogen aus dem kruden „Fuck“tum, dass die österreichischen Steuereintreiber seinen Vater zu Tode geprügelt hatten.
...

Diese beiden und alle anderen Naivlinge bis auf den heutigen Tag müssen irgendwie von dem Gerede und Sprachspiel nicht viel gehalten haben, dass die Kultur des Alles - Verstehens eine des Alles -Verzeihens sei.
Sobald sie alles verstanden haben, schlagen sie nämlich alle Deutungen in den Wind, denen zufolge der im staatlichen Auftrag killende Steuereintreiber eigentlich dazu da sei, ihnen auch weiterhin schöne Anlässe zu Exerzitien in innerer Größe zu bieten.

Von Seiten der Kunst der Schmähung wäre also zu erinnern: „Nous mourrons pour le maintien de ce qui nous tue et l´ evidence nous échappe..” (Alberto Caraco)

Dienstag, 2. Februar 2010

Menschen-Bilder

Bilder vom Menschen, an Stelle seiner selbst?

Die sind samt und sonders alle erwünscht und erlaubt.
Vor allem professionelle Menschenbildner gehen gern mit diesen ideellen Gütern erfolgreich hausieren.

Nur eine moralfreie Bestimmung der bewirtschafteten Biomasse nach dem Kriterium ihrer Verwertbarkeit für den Erhalt des zivilisatorischen Standards, das ruft vorhersagbar Empörung hervor.
Dabei kann man schon dem jährlich wiederkehrenden Aushandeln von kapitalverträglichen Löhnen nun wirklich nur eins entnehmen: der Mensch ist eine viel zu kostspielige Bestandslücke im Maschinenpark. Genau so wird er denn auch ver- und behandelt. Um das herauszufinden, braucht man noch nicht einmal Marx gelesen zu haben.
Kaum sagt das aber einer laut, verwahrt man sich gegen diesen unerlaubten Versuch der zynischen, monokausalen Proselytenmacherei. Dabei war eigentlich in dieser Bestimmung nur die Rede davon, was es die Leute so kostet, wenn ihnen zu verstehen gegeben wird, sie sollen sich gefälligst als Kosten verstehen.
Vom faschistischen unnützen Fresser trennen solche Qualifikationen nur, dass das nütze Konsumenten sind, weswegen sie dieser wachstumsförderlichen Funktionalität wegen – wenn auch seufzend - durchgefüttert werden.

Von dieser ganz unwichtigen Marginalie mal abgesehen geht es bei der Menschenbilderei nach dem Urteil all derer, die ich nicht mag, um ganz anderes, nämlich um die guten Zwecke einer Hilfe für das ansonsten verlorene Menschentum.

- Der Mensch ist nämlich als zoon politicon eine, gottseidank, nivellierte Mittelstandsgesellschaft (Soziologie bis Politologie)
- eine nur dualistisch zu fassende Ganzheit von materiell -spirituell polarisierter Einheit (von den humanistischen Dunkelmännern bis zu den Religionsverwesern)
- und für alle anderen Disziplinen der akademischen Ergötzlichkeiten ist der Mensch…vom Mängelwesen, das deswegen der Moral und anderer Kandaren bedarf, weil sonst… bis Krone der Schöpfung, die sich mitunter auch gerne im Schlamm suhlt…Freiheit, die durch Verantwortung….ad libitum, kurzum:

Der Mensch ist ein einziges schwieriges Problem, das zu lösen nur er selber sich besser nicht unterstehen sollte. Darin sind sich alle einig, deren Menschenbildnerei immer auf eine überschaubare Anzahl von öden moralischen Forderungen hinausläuft, die jedoch als harmlose Ist-Bestimmungen vorgetragen werden.

Da war ja der Dekalog realistischer und ehrlicher.

Von all diesem leichtgewichtigen Volatilen ist im aufgeklärten Menschenbild nichts verzichtbar.
Da diesem aufgeklärten Zeitalter aber auch gar nichts von dem, was es halt so gibt (Panzer, Pfaffen, Prostitupäpste), verzichtbar erscheint, weswegen immer nur an der verfehlten Allokation von Ressourcen zu mäkeln ist, komme auch ich mal mit einem „modest proposal“ daher und schlage folgende Neuzuordnung bereitliegender Mittel vor:
Man stelle dem Mörder hinfort frei, ob er die vom Gericht verhängte Strafe annehmen, oder doch lieber im Metier verbleiben und als Soldat in Zentralasien seine Fähigkeiten weiterhin unter Beweis stellen wolle.

Das löst doch, nicht wahr, so manches Problem?!

Irgendwann nach Feierabend.
Sie, die effiziente Durchschlagskräftige mit diesen knallenden Stöckelabsätzen nähert sich ihrem Mercedes, gewahrt einen Werbezettel unter ihrem Scheibenwischer und schmeißt ihn ungelesen in die Gegend, bevor sie ihren ferneren wichtigen Zusammenhängen nachkommt.
Kommt mir vor wie ein schönes Beispiel für den grassierenden Mythos der Arbeitsteiligkeit. Es gibt darin den Graphiker, den Drucker, den Verteiler, den Wegschmeißer, den Aufsammler und den lieben Gott im Himmel.
Eben jeder Arsch an seinem Platz.
Mehr braucht man darüber nicht zu wissen.

Dies mythengesteuerte Gesindel erschauert am Wochenende ebenso pflichtschuldigst und vorhersagbar vor dem 400-jährigen Baum.

Das sind - mit Verlaub - Billardkugeln, die Ihresgleichen auseinanderstieben machen, als ob die bloße bewusstlose Weitergabe einer nicht ihnen innewohnenden Energie ein wohlüberlegtes Resultat ihres höchstpersönlichen Willensentscheids sei.

Montag, 1. Februar 2010

Werner Bergengruen

Dieser Dichter von der zartsinnigsten Sorte, wie sie die Liebhaber der Kalenderpoesie und der weichgespülten Weisheiten so schätzen, überlieferte uns in poetischem Überschwang am Ende des Dritten Reiches, er habe die ganze Zeit nur Lobgesang vernommen:
Was aus Schmerzen kam, war Vorübergang - und mein Ohr vernahm, nichts als Lobgesang.“
Das darf man ihm ruhig glauben, dass die Schmerzen der anderen vorübergehen wie nichts.
Dass die Millionen in den tatsächlichen und den bildlichen Feueröfen wohl nicht die Sänger jener vernommenen Hymnen waren, ist anzunehmen.
Wissen könnte man aber auch, dass die Trennung von lebensweltlich vorfindlichen Leuten und ihren Selbstprojektionen beim Dichten noch ganz andere Ungeheuerlichkeiten
1)erlaubt,
2) hervorbringt, und
3) bei der Trostbedürftigkeit der Leserschaft derartig kultische Verehrung genießen wird, dass es einer Sau graust.

Distinguo

Der Unterschied zwischen „Verbrechen und Strafe“, einem nicht ganz unbekannten Roman von Dostojewski, und seiner bekannten deutschen Übersetzung mit „Schuld und Sühne“ ist der zwischen einem gesellschaftlich-kulturellen Zusammenhang einerseits, und dessen Umdeutung in eine zwangsweise religiös-theologische Verinnerlichung andererseits.

Derartige quid pro quos verdanken sich zumeist dem Interesse an der Verwechslung der verschluckten Zuchtrute mit der nur drohenden.
Sosehr der Roman Anlass zur „verräterischen“ Übersetzung ins Psychologische geben mag, die neue Titelei verschiebt den Deutungshorizont des Lesers in eine präjudizierende Perspektivik, die dem Roman einen Gutteil seines psychologischen Realismus nimmt.

Unterm Gewissensdruck sich selbst der irdischen Gerechtigkeit auszuliefern (Schuld und Sühne), mag eine verquere Sorte Gottesbeweis ermöglichen, als objektiver Zusammenhang gelesen (Verbrechen und Strafe) wäre das der krause Unfug, sich die Gewalten hienieden zum Mittel seiner metaphysischen Bedürfnisse zu machen.

Sonntag, 31. Januar 2010

Problem

Wie schwer es ist, eine gänzlich anders programmierte Öffentlichkeit dazu zu bewegen, auch nur einen Moment lang die objektive Seite von allem, was sie sehr wohl weiß, festzuhalten, mag man daran ermessen, dass niemandem einfiele, die täglich fortschreitende Vergiftung von Land und Leuten unter der Kategorie des objektiven Maßstabs der Verarmung zu denken, geschweige denn als solche zu bezeichnen.
Wie heißt, statt dessen, alles ökonomisch Ruinöse, kulturell Erodierende, sozial Zerreißende und die Minimalstandards einer Verfassung Unterminierende?

Richtig. Problem.

Selbst noch bei den "Problemen" könnte man ja mal versuchen, zu intervenieren, denn objektiv gesehen kriegen WIR die nun mal an den Hals, aber ganz andere, uns völlig fremde Leute behaupten von sich, SIE hätten sie und setzten sich damit in förderlicher Weise auseinander.

Womit wir das nächste Problem aufgeschwätzt bekommen.

Geborgenheit

Ein Verkaufsargument. Und Liedgut aus der Walt-Disney-Maschine.

Und dennoch: ich wiege mich gern im Schoß aller Meere und bin ziemlich sicher, dass wir im Liebesakt eigentlich in die ozeanische Mutter zurückstreben.
Metaphysikum ersten Ranges, an dem die Metaphern vom Schoß der Familie, der Kirche...bloß schmarotzen.

Faschistenseele

Das wirkliche Leben entbirgt sich ihr erst im Ausnahmezustand: im Krieg oder in Augenblicken der Gefahr.
Die Intensität des Lebensgefühls und die rauschhafte Exaltation wird gefeiert, weil das tägliche Leben nur als Stellvertreter eines abwesenden Eigentlichen gedacht wird.
Selbst eine Prügelei ist dann von traumhafter Romantik. Um wie viel mehr, wenn die Ausgesetztheit sich im höheren Auftrag weiß. Endlich eine Mission, die angesichts des drohenden Greisenalters die Illusion des Entkommens verheißt!
Entfremdung macht eben aus ihrem Herzen keine Mördergrube. Sie spielt damit in allen Farben des Weltanschauungsspektrums. Solange das ein ästhetisches Ereignis bleibt, bleiben auch die schrecklichsten Befunde lediglich auf einem silbernem Tablett vorbeigetragene.
Nun ist aber nicht zu leugnen, dass es Leute gibt, die selbst das Angebot von Pestbeulen nicht ausschlagen, solange sie im dekorativen Staatsrand und tragischem Trauerflor daherkommen.

User Status

Du bist nicht angemeldet.

Aktuelle Beiträge

Schade!
Hier gab es viel zu lernen. Paß auf Dich auf Frank
Frank Benedikt - 11. Okt, 10:50
Irgendwie schade. Habe...
Irgendwie schade. Habe "gerade" erst angefangen, dieses...
tom-ate - 3. Okt, 15:29
Gruß http://opablog.twoday .net/stories/42987938/
Gruß http://opablog.twoday .net/stories/42987938/
kranich05 - 3. Okt, 11:18
SpinnewippGrüße
Hallo Gitano, am Ende dieses Blogs- den einzigen den...
cadiz - 26. Sep, 17:39
wenn ich jetzt so lange...
wenn ich jetzt so lange warten wollte, bis mir zu Deinem...
vunkenvlug - 26. Sep, 14:22

Mir wichtige Links

Suche

 

Status

Online seit 6526 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 11. Okt, 10:50

Credits


Fiktive Briefe
Gefunden
Hekayat und Makamen
In eigener Sache
Literatur
Naseweisheiten
Norwegenbummel
Nuit-nalismus
Reisen
Reisen -Trani
Reisen - Schweden
Reisen - Thailand
Reisen -Apuanische Alpen
Reisen Rondane-Trail
Reisen-Baltikum
Reisen-Cornwall 2010
... weitere
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren