Urwaldbungalow
Grau gleisnert Mondlicht an den Palmdachwedeln.
Schwarzgrüne Lachen auf den Brettern der Veranda:
Geronnen´ Blut und was da Rotz und Kotze war.
Da schlängelt was! Wie komm ich nur hier her?
Dschungelwahn, der tausendstämmig droht,
Betäubt und dämpft des Flusses irres Tosen.
Als ob darunter Panik sich verschweige.
Wie kam ich her, wie komm ich weg von hier?
Was nicht mehr sich bewegen kann, verrottet.
Man hat´ s nicht weit zum nächsten Aasgestank.
Was kümmert´ s, ach, Kaldaunen des Kadavers
Dass sie sich nicht mehr riechen können?
(Einer Anregung von J. Slauerhoff dankbar folgend)
Was haften bleibt von dieser discordanten Träne Sri Lanka
und wovon man sich gerne in die Welt der selbstzugestandenen Anhaftungen illusionieren lässt, das sind auf der einen Seite der Extreme die Bilder einer sinnlos strotzenden Vitalität:
- Dieser unwirklich schöne, gewaltige Elefant (ein sogenannter „Tusker“) im Tempelbezirk von Kataragama, dessen gewölbte Stirnpartie lässig die eines Plato übertrifft.
- Diese ungebärdig ins Kraut schiessende Dschungelnatur, selbst noch als gebändigte Monstrosität im Botanischen Garten von Peradeniya.
- Wasserfälle, angesichts und angehörs derer sympathetisch, aber doch ein wenig lächerlich in ihrer Anmaßung, sich eure Blase meldet.
- Die Nutzung der selben Toilette – kurz vorm Blasenriß - im Resthouse von Negombo, auf der schon Queen Elisabeth II. sich Erleichterung verschaffte.
- Die sich überschlagenden Brecher, die den – man sagt wohl „traumhaft schönen“ - Kokospalmenstrand von Tangalle zerschmettern wollen.
- Der obszöne Gestank und das ihm kongeniale Gekreisch der Marktweiber auf den Fischmärkten.
- Das hinduistische Mythologem des den Kosmos in ernste Gefahr stürzenden Orgasmus´ Parvatis bei der Zeugung des Gottes Skanda durch Shiva.
Und auf der anderen Seite der Extreme das direkte Gegenteil davon:
Bilder der Gemachheit und Gestilltheit.
- Angefangen beim Mythensynkretismus eines Buddhismus, der mit der Assimilation und Eingemeindung von Hinduistischem in seinen Felsenhöhlentempeln offenbar überhaupt kein Problem hat.
Da gibt es beispielsweise Höllenszenen für das Große Fahrzeug der Volksfrömmigkeit, die den unseren in nichts nachstehen. Ausgerechnet an dem Ort, wo der Theravada - Buddhismus erstmals seine schriftliche Aufzeichnung im ersten Jahrhundert vor der Zeitenwende erfuhr, im Bezirk des Alu Vihare 3 km nördlich von Matale.
Dem entnehme ich: Ohne die duldende Lizenz einer Verbindung mit der trivialen Phantasie hätte es wohl kein Überleben der großen Religionen gegeben. Das leicht Fassliche des Papa-Mama-Kind-Bravseins sichert ja auch noch in nach - aufklärerischen Zeiten den Medienbonzen ihre Einkunftsquellen.
- Der liegende Granit-Buddha im Gal Vihara –Komplex der alten Königsstadt Polonnaruwa. Wo auch immer dieser ist, da möchte man wohl auch gerne hin.
- Die Projektion der Berg-Pyramide des Sri Pada auf das Nebelmeer bei Sonnenaufgang.
- Schwebende Schmetterlingswolken gleich neben einem Riesenbanyangebäume, Wohnung eines Baumgeistes namens Ruk Devi.
- Die Spiegelung dieser Riesenschirme von Regenbäumen im silbernen Morgenlicht eines Sees.
Ich liebe Extreme. Sie zerschlagen dir deine Gewissheiten.
Ich hasse Extreme. Sie beanspruchen dreist - und ohne jede Spur von umständlichem Beweis - die Wahrheiten des Existenziellen.
Sri Lanka ist ganz sicherlich nicht die Lösung für nichts, aber man vergisst darüber manchmal ganz einfach die Frage, worum es denn nun bei all dem gehe.
Der Sinn des Reisens besteht darin, unsere Phantasien durch die Wirklichkeit zu korrigieren.
Statt uns die Welt vorzustellen, wie sie sein könnte, sehen wir sie wie sie ist.Samuel Johnson (1696 - 1772)
Am Weg durch den ehemaligen Todesstreifen, die Grenze zwischen dem von den Tamil Tigers kontrollierten Gebiet und dem unangefochten singhalesischen Staatsgebiet, ein kleiner Tabakbauer und seine Familie.
Bevor wir auf sein Haus stoßen entsetzt der Zustand der bereits aufgeschossenen Tabakpflanzen, die von den marodierenden Schneckenarmeen in einem erbärmlichen Zustand hinterlassen wurden. Schlimmer zerfressen als meine Lungen. Meine Chancen stehen jedenfalls besser als die der fast kahlen Stengel mit ihrer perforierten Restbelaubung. Angefressen wir beide durch das Leben, mit dem wir verbandelt sind, und uns dennoch gegen unsere sichere Vernichtung auflehnen.
Mittägliche 40 Grad Celsius.
Unsere Schritte schlauchen uns, spülen die Mineralien aus uns raus, ausgewrungen welken wir der Farmerfamilie entgegen.
Hier gibt es kein Alibi mehr, für niemanden, dieses Zusammengeschmolzene sind wir, bist du. Jede Verwünschung, die uns zuhause so leicht von den Lippen geht, ist eine lächerliche Prätention von aparter Individualität mitten in niederdrückendster Armut und unvorstellbarer prügelnder Hitze.
Ja, sie sei - wie so viele andere - Gastarbeiterin in Saudi-Arabien gewesen, sagt die Bäuerin. 6 Jahre lang. Dann habe sie es bei den arbeitgebernden Scheichs nicht mehr ausgehalten. 14 Kinder habe sie zu hüten gehabt. Sieben Tage in der Woche. Und kein Wort Arabisch.
Wenn etwas daneben ging, bekam sie Hiebe mit dem Stock. Da hätte sie aber noch Glück gehabt. Andere seien noch ganz anders gequält und gefoltert worden.
Ich wollte, mein Kopfschmerz käme nicht ausgerechnet von so etwas Profanem wie meiner Nebenhöhlenentzündung, die ich mir auf der Elefantensafari im Nieselregen zugezogen habe.
Absolute seelische Flaute. Noch der vorsichtigste Vagabund ist nicht gefeit gegen jene Windstillen, wo das träge Flappen der Segel dich dem gleißenden Wahnsinn ausliefert, du seiest dennoch etwas anderes , als der dreckige Schaum, den die erfolgreicheren Imperien gleichmütig ans Land aller Meere spülen.
DIE SCHLIMMSTE NIEDERLAGE BEI ALLEM IST
ZU VERGESSEN UND VOR ALLEM,
WORAN WIR VERRECKT SIND. (Louis Ferdinand Céline)
Nationalisten unter sich
In einer TV-Diskussionssendung des Nachrichtensenders "N24" sagte Sarrazin seinerzeit auf die Frage, ob eine Anhebung des ALG II Regelsatzes die Konjunktur ankurbeln würde: "Das ist kein Konjunkturprogramm. Wofür geben die das Geld aus? Für Flachbildschirme, Videorekorder, MP3-Player. Es geht alles nach Fernost. Es geht alles nach Südchina. Und nichts bleibt hier.“
Der gegen-hartz.de-blog beschwerte sich über diese neuerliche Pöbelei: „Der Tritt nach unten war schon immer leichter, als der Tritt nach oben“.
Mal angenommen, ein solch wünschenswerter Tritt ließe sich tatsächlich ins Werk setzen, dieser Arsch ist doch ausdermaßen gigantisch, der würde die Attacke überhaupt nicht wahrnehmen.
Und jetzt im Ernst, und zur Erklärung, warum ich damit ausgerechnet jetzt schon wieder ankomme.
Es ist das gewissermaßen Zeitlose, das daran interessiert:
Wenn nämlich erfolgreiche Nationalisten wegen ihres schlechten Benehmens gegenüber erfolglosen Nationalisten von gesitteten Nationalisten gerügt werden, halte ich das für ein gesamtgesellschaftliches Problem.
Gell, Herr Schmidt.
Auf dem Weg zu den Horton Plains, kurz unterhalb des Plateaus, steigen wir aus zu einem Streifzug durch die Teeplantagenzone, die unmittelbar entweder an ungerodeten Dschungel oder an savannenartige Eukalyptusbaumstreifen grenzt.
Fünf, sechs aus zusammengeklaubtem Material erstellte Hütten. Die Dächer bestehen aus verbeulten Wellblechteilen, die vom Gewicht schwerer Felsbrocken an Ort und Stelle gehalten werden.
Die Bewohner kennen außer dem freien Blick auf ihr Elend und über die endlosen Teeplantagen nichts.
Zum nächsten Bahnhof sind es zwei Stunden Fußmarsch.
Kein Wunder, dass die uns mit räudigen Hunden entgegeneilende, ungezogene Kinderschar- alle im schulpflichtigen Alter - hier am helllichten Vormittag herumhängt, anstatt etwas zu lernen, womit sie doch nichts anfangen oder beendigen könnten.
Von hier gibt es kein Entrinnen.
Hier wird man geboren, arbeitet für die Estates der Company, und hier stirbt man seiner Einäscherung entgegen.
Die Vorfahren dieser Tamilen waren von den englischen Kolonialherren mit gleisnerischen Versprechen hierher in ein Arbeitsverhältnis gelockt worden, dessen freies Aufgeben sich nur einem wild zum Hungertod Entschlossenen empfiehlt.
Die paar Rupien fürs Teepflücken – wenn der Plantageneigner saisonal mal wieder in die Hände klatscht - und für das Zurückschneiden der Teebäume, oder die Arbeit in der Teefabrik gehen regelmäßig für die Ernährung und die anderen Grundbedürfnisse drauf, die man in den Läden des Plantageneigners zu decken gezwungen ist. Trucksystem darf man das nicht nennen, weil die tugendsame Dame namens Definition das mal wieder in aller Keuschheit verbietet. Aber es läuft genau darauf hinaus.
Höre ich da wen ganz Gescheiten auf die berauschenden Möglichkeiten des Kreditsystems hinweisen? Also eines Systems, das die Ansprüche deines Eigners an dich noch höher und enger schraubt?
Von hier gibt es kein Entrinnen.
Hier wird man geboren, arbeitet für die Estates der Company, und hier stirbt man seiner Einäscherung an Ort und Stelle entgegen.
Das Kauen der Beteldroge gegen den Hunger, und um überhaupt die Eintönigkeit des Raufens aushalten zu können, führt zu entsetzlich schadhaften Gebissen. Nur gut, dass man den täglichen Reis mit Linsen und Curry auch durch bloße Verspeichelung und Zungendruck runter kriegt.
Tja, Sozialisten und Soul Sisters aller Länder,
LOVE AND PEACE,
gelle?
dass ich eigentlich gar keine rechte Lust habe, von dieser Reise nach Sri Lanka zurückzukehren zu den Deutschländern.
Im Frankfurter Flughafen warteten wir - nach dem elend langen Rückflug, also dem erbrachten Beweis für die Existenz eines modernen Heroismus´ - eineinhalb Stunden auf unser Gepäck, weil es – aus Dubai kommend – einer speziellen Kontrolle bedurfte. Tenor der verständnisinnigen Kommentare: „Man stelle sich bloß mal vor, es käme tatsächlich was vor.“
Am liebsten hätte ich auf dem Absatz kehrt gemacht und einen weiteren Flug aus der Festung raus mitten ins Terroristengewimmel da draußen gebucht.
Warum sieht da eigentlich keiner die objektive Maßlosigkeit des Anspruchs an Territorium und Territorialisierte?
Ich war schon so weit, dass ich an einem kleinen Mythos von meinem Verschwinden im ceylonesischen Dschungel bastelte. Der letzte Eintrag dieses blogs hätte dann skizzenhaft etwa so ausgesehen:
„AN DIE LESER DIESES BLOGS
Mein Mann ist nicht wiedergekommen.
Ich habe seit zwei Wochen kein Lebenszeichen mehr von ihm.
Hier der Wortlaut seiner beiden letzten mails:
Bandarawela
da bin ich endlich wieder. Bei feuchten 33 Grad an einem Computer schwitzend, der sich hinter dem 2 Meter breiten Geschaefts-Schlauch eines Friseurs befindet.
Den Anstieg auf den Adams Peak (1000 Hoehenmeter rauf und runter) haben wir seit gestern hinter uns. Aufbruch nachts um 2 Uhr mit Taschenlampe. Ist ein Pilgerheiligtum fuer die Hindus, die Buddhisten, Christen und Moslems. Jeder erzaehlt darueber eine andere Geschichte. Unsere geht so: der Adam soll sich hierher begeben haben nach dem Rausschmiss aus dem Paradies, weil das hier dem Paradies noch am naehesten komme.
Kann ich nicht bestaetigen. Das Klima allein hat mir natuerlich wieder die uebliche Erkaeltung eingebracht. Ist jetzt aber wieder im Abklingen. Habe ich mir vermutlich auf der Elefantensafari zugezogen.
Ansonsten hat es hier alles moegliche Exotische in einem Traum von allen möglichen Gruens. Das kommt allerdings schon auch von den tropischen Regenfaellen, die es manchmal ernsthaft aufs Ersaeufen abgesehen haben.
Die Wanderungen halten sich (bis auf die Adams Peak Besteigung) in angenehmen Grenzen. Die Durchfallattacken auch.
Die Blutegel aber nicht. Die sind irgendwie sauscharf auf mein Blut.
Also jetzt kann ich den Schweissgeruch dieser Bude wirklich nicht mehr aushalten. Melde mich wieder, wenn ich einen anderen Terminal gefunden habe.
Kataragama
der Name der Stadt ist identisch mit dem eines Kriegsgottes und des Hasses.
Der hatte in der letzten Zeit hier viel Zulauf gehabt, im Gegensatz zu einem gewissen Gott Saman, der fuer die friedlichen Regelungen zustaendig ist. Die Tamil Tigers und andere Freiheitsluesterne hatten den anderen das Leben schwer gemacht, weil die Regierung ihnen das Leben schwer machte. Tja, und das zieht gemeinhin viele Tote nach sich. Wer mehr niedermetzeln kann, bleibt als regierende Gewalt uebrig.
Jetzt ist alles friedlich zwischen den Singhalesen und Tamilen. Kein Wunder, im ehemaligen Todesstreifen alle paar hundert Meter ein Bunker und ein Militaerposten.
Grund fuer Auflehnung gibt es genug. Aussagekraeftiges Beispiel: Die tamilischen Tee-Pflueckerinnen kriegen 175 Rupien pro achtstuendigem Arbeitstag. Das ist etwas mehr als ein Euro pro Tag.
Das Bier, das man in den ueberteuerten Hotels am Abend kriegt, kostet mehr als zwei Tagesloehne einer Pflueckerin. (420 Rupien) Ich komme da nicht drueber weg und lasse da lieber das Bier weg. Ich kann nicht irgendeinem Arschloch von Hoteleigentümer, der irgendwo im Westen meinen Beitrag zu seinem Wohlleben verprasst, das Geld nachschmeissen. Sorry, kriege ich nicht hin.
Dieser Tage ist Colombo in sintflutartigen Regenfaellen abgesoffen. Der Praesident musste im Boot zum Parlament schippern. Also ueber den Wassergraben seiner Burg und die dort normalerweise kasernierten Krokodile hinweg, die als Anti-terroristicum installiert wurden.
Morgen Aufbruch zur Dschungelwanderung.
Immer noch besser als dieses Grauen...das GRAUEN...!“
Er fehlt mir jetzt schon.
Renate Klotz
Tja, und jetzt sitze ich doch wieder am Computer und mache so vor mich hin.
Aber so ganz werde ich doch nicht mehr zurückkommen.
Das hängt irgendwie zusammen mit der Wahrheit des Spruchs:
“ Mit jedem Tag meines Lebens wächst zwangsläufig die Anzahl derer, die mich mal am Arsch lecken können.“
Menschliche Reife beginnt eben dort, wo die Sorge um deine Person größer wird als die um die Sorgen anderer.
The Latest Decalogue
Thou shalt have one God only; who
Would tax himself to worship two?
God's image nowhere shalt thou see,
Save haply in the currency:
Swear not at all; since for thy curse
Thine enemy is not the worse:
At church on Sunday to attend
Will help to keep the world thy friend:
Honor thy parents; that is, all
From whom promotion may befall:
Thou shalt not kill; but needst not strive
Officiously to keep alive:
Adultery it is not fit
Or safe, for women, to commit:
Thou shalt not steal; an empty feat,
When 'tis so lucrative to cheat:
False witness not to bear be strict;
And cautious, ere you contradict.
Thou shalt not covet; but tradition
Sanctions the keenest competition.
Originalfassung:
Thou shalt have one God only; who
Would be at the expense of two?
No graven images may be
Worshipp'd, except the currency:
Swear not at all; for, for thy curse
Thine enemy is none the worse:
At church on Sunday to attend
Will serve to keep the world thy friend:
Honour thy parents; that is, all
From whom advancement may befall:
Thou shalt not kill; but need'st not strive
Officiously to keep alive:
Do not adultery commit;
Advantage rarely comes of it:
Thou shalt not steal; an empty feat,
When it's so lucrative to cheat:
Bear not false witness; let the lie
Have time on its own wings to fly:
Thou shalt not covet; but tradition
Approves all forms of competition.
Der Moderne Dekalog
Sei nur dem einen Gotte treu:
Wer will schon Zehent zahl'n für zwei?
Und keine Götzen baue dir
(das Geld ist ausgenommen hier)!
Fluch niemals einem andern Mann:
Er wär' davon nicht schlechter dran!
Zur Kirche geh am Feiertag,
daß dich die Mitwelt leiden mag;
und ehr' die Eltern, das heißt die,
von denen Vorteil dir erblüh'!
Du sollt nicht töten, doch wer strebt
schon, daß ein And'rer überlebt?
Begehe keinen Ehebruch,
denn selten schlägt sich der zu Buch!
Stiehl' nicht, das ist ein leerer Wahn:
beim Schwindeln bist du besser dran!
Kein falsches Zeugnis gib', bereit
der Lüg' zu lassen ihre Zeit!
Begehre nicht, doch Freilizenz
hast du zu aller Konkurrenz!
(Übersetzung by Walter A. Aue)
Einst wandelte Buddha durch ein Dorf.
Ein Vater, der schon zwei Söhne an ihn verloren hatte, die ihm nun bei der Feldarbeit fehlten, kam wütend auf ihn zu und beschimpfte ihn: "Du hast kein Recht, andere zu belehren. Du bist genauso dumm wie alle anderen auch!" So schrie er. ,Du bist nur ein gemeiner Schwindler, der mir meine Söhne zu Faulpelzen gemacht hat!"
Buddha ließ sich durch diese Beleidigungen nicht kränken. Stattdessen fragte er den Mann:
"Sage mir doch einmal, wenn du für jemanden ein Geschenk kaufst und der Betreffende nimmt das Geschenk nicht an, wem gehört dann das Geschenk?"
Der Mann war von der seltsamen Frage, die ihm da gestellt wurde, überrascht und antwortete: "Mir würde es gehören, denn ich habe es ja schließlich wieder und noch!"
Buddha lächelte und sagte: "Das ist richtig. Und genauso ist es mit deiner Wut. Wenn du wütend auf mich bist und ich mich dadurch nicht beleidigen lasse, dann fällt deine Wut auf dich zurück.
Sie ist und bleibt deine."
Das ist eine sehr hübsche Geschichte, die erklärt, warum ich ein Buddhismussympathisant bin, aber normalerweise die Hochnäsigkeiten der Buddhisten einfach nicht ausstehen kann.
Diese Pseudo-Souveränität des ethisch Höherstehenden ist nämlich ganz frech und frei durch eine hinterfotzige Medisance erkauft, die keineswegs als bloßes Konkurrenzgebaren unter Pfaffen aufgefasst werden will.
Über den Angelpunkt der perfiden Unterstellung eines moralischen Anliegens beim Gegenüber sichert sich diese Lehr-Erzählung nämlich einen uneinholbaren Vorsprung vor jeder Diskussion über das anstehende Problem, das von vornherein ins Unrecht gesetzt ist.
Der Vergleich des Antrags unversöhnlicher Gegnerschaft mit einem Geschenk hinkt übrigens an jeder nur denkbaren Stelle. Weder hat sich der Erboste in Unkosten gestürzt, um nicht mit leeren Händen zu kommen, noch reicht er ergebenst eine Gabe.
Sollte er aber, oder hätte doch sollen! Sagt der Buddhistelnde und zieht genüsslich scharf die Luft durch seine vor Vergnügen bebenden Nüstern ein.
Die Verwandlung des objektiven Leidens in ein eigentlich anstehendes Gehört-Sich der liebenden Zuwendung zum Mitmenschen bagatellisiert alles ihm sich nicht Beugende.
So etwas hält sich lässig über weitere 2500 Jahre hinaus, weil die ideelle Partizipation am Sieg der spirituellen Unschlagbarkeit ihre unleugbaren Reize hat.
Wenn man schon nicht bei den stärkeren Bataillonen gelandet ist, hält es das Gescherr doch gern mit den vom Herrn bereitgestellten Kompensationen.
Marnix Gijsen: Lydias Monolog
«Die Leute sagen, dass ich trinke. Nein, sie sagen, dass ich ein reiches altes Weib bin, das trinkt. Wenn sie das dann gesagt haben, fühlen sie sich prima, denn sie sind keine alten Weiber und sie trinken nicht, denn man darf kein altes Weib sein und man darf nicht trinken.
Das haben die so ausgemacht, und so muss es sein, aber so ganz stimmt das auch nicht. Das einzige, was man sehr wohl sein darf, ist reich sein. Da gibt’ s überhaupt kein Vertun. Mein Vater hat es nie geheimgehalten, dass er finanzstark war, und mein Ex-Gatte hat mich auch nicht gerade mittellos zurückgelassen. Vor so was haben die Respekt. Ich brauche die bloß mal auf einen Sonntagnachmittag an den Swimming-pool einzuladen, dann eilt das nur so herbei zu dem alten Weib, das trinkt. Mit vollen Wagen kommen die an, und da purzeln wahre Ketten von Kindern heraus, die Verwüstungen in Haus und Garten anrichten.
Kann ruhig jeder merken, dass ich Geld habe, und dass ich es nicht leichtsinnig ausgebe, außer für den Stoff, aber das fällt nicht ins Gewicht.
Ein anderes reiches Weib hier in der Nachbarschaft, meine sozusagen Freundin Martha, die trinkt sozusagen nicht. Die hat eine Schwäche für ganz junge Männer mit viel Haar, die `Kompositionen` anfertigen. Die Feder muss erst noch geschnitten werden, die das beschreiben könnte: Alteisen, Konservendosen, altertümliche Telefone, ganz zu schweigen von zerquetschten Schreibmaschinen, usw. Sie gibt für so was schweres Geld aus, und ihr Garten steht voll damit. Man betrachtet sie als einen weiblichen Mäzen. Was sie mit den ungewaschenen Pudeln privat anstellt, geht mich nichts an, aber ich weiß, dass sie ebenfalls trinkt. Sie macht das heimlich, wenn sie allein ist. Sie hat nicht den Mut, sich dazu zu bekennen, wie ich. Wenn sie mich fragen, Martha ist eine heuchlerische Hündin, und das zumindest bin ich nicht.
Da wir gerade beim Geld sind, das ist das einzige, wofür man mich respektiert. Das liegt fest, in dem Punkt habe ich nichts zu befürchten. Da hat Pappi Vorsorge getroffen, und selbst das Aas von meinem Ex-Mann kann da nichts dran tippen. Der Aderlass, den ich ihm bei unserer Scheidung verordnet habe, hat ihn Mores gelehrt. Ich bin vermutlich die einzige in der ganzen Umgebung, die nie nach den Börsenberichten in der Zeitung schaut. Wenn eine Frau das tut, dann beißt sie sich auf die Oberlippe und auf ihrer Stirn zeigen sich Runzeln, sogar bei den jüngsten; ein schauderhafter Anblick. Ich bin schon immer der Ansicht gewesen, dass der Mann das Geld verdienen sollte, und dass es die Frau ist, die es – mit Verstand natürlich – ausgibt, so dass der Mann mitkriegt, dass er gute Ware für sein Geld bekommt. Geld werde ich immer haben, es sei denn es geschieht etwas Ungeheuerliches, ein Erdbeben, eine Sündflut oder die Russen kommen, kurz, das, was man einen „act of God“ nennt.
Haben Sie eigentlich schon bemerkt, dass die Taten des Herrn immer wenig Gemütliches haben, sobald man sie nicht mehr als Naturphänomene bespricht? Ach, die Leute sind ja noch so einfältig, dass sie wie die reinsten Buschneger jedes Phänomen einer Gottheit zuschreiben. Was mich anbelangt – und ich weiß, dass das mein Ansehen nicht gerade hebt - , so habe ich mich schon vor vielen Jahren von dem ganzen Rummel um Glauben und Unglauben emanzipiert. Aber in meiner Jugend war man darauf aus, mich mit Erzählungen von christlichen Märtyrern zu erschüttern. Da schon. Ich respektiere einen, der durch dick und dünn bei seiner Idee bleibt, und sei sie noch so verkehrt, aber die Buddhisten, die sich selbst in Brand stecken – wie ging doch noch gleich der makabre Scherz wieder: Normal oder Super? - , das sind doch noch schrillere Typen. Sie können es ruhig zugeben, dass ich das Recht darauf habe zu sagen, dass ich da keinen Sinn drin sehen kann, und dass ich höflich bleibe und über Religion nichts hören will. Kommt der Pastor vorbei, dann kriegt er was; kommt der Pfarrer, kriegt der das selbe. Aber bloß keine Predigten! Bei mir ist das vergebliche Liebesmüh. Dem Rabbiner, der hier nie klingeln kommt, schicke ich freiwillig was, denn ich bin auf der Seite der Unterdrückten.
Heute bin ich erst bei meinem sechsten Glas... mein volles Maß ist zwanzig. Nach dem fünften werde ich – wie Sie ja wohl merken – beredt, offenherzig, tiefsinnig. Aber am späteren Abend bin ich nicht mehr so logisch, das weiß ich wohl. Dann komme ich vom Hölzchen aufs Stöckchen, d. h. ich lasse die Überleitungen weg und schon denkt man, ich rede irre. Da werde ich aber ungnädig und sage herbe Sachen, vor allem dem Jungvolk.
Also: ein ´altes Weib´ bin ich. Das ist ein Schimpfwort, das ich mir ab und zu anhören muss, und als einzige Verteidigung kann ich den Jüngeren nur entgegenhalten: Ihr seid ja noch nicht trocken hinter den Ohren, ihr Piepküken."
Die Rhetoriker unter uns wissen es, wollen sich das aber nicht gern eingestehen: ihres ist das Anliegen der moralischen Begutachtung verabfolgter Politik, also ein Hinterher.
So lange sie gut über Schlechtes reden, fliegt unser Herz ihnen entgegen. Sie sind die fleischgewordene Protest - Kultur.
Kultivieren kann man nur Unpraktisches.
Angesichts dessen ist es ganz schlecht, wenn sich die rhetorische Rache des kleinen Mannes als aktive Prägerin eines Habitus, also als ein Vorher besserer Praxis missversteht.
Sollte nämlich auf Seiten der tatsächlich Mächtigen begründeter Verdacht bestehen, dass einer es ernst meint und sollte so einer - tatsächlich oder vermeintlich - zu einer handlungsleitenden Praxis aufrufen, die unmoralischerweise das Geschäft und seine leitenden Angestellten stört, hat natürlich die Kultur ihre poetischen Lizenzen verwirkt und heißt ab sofort „Grundgesetz Paragraph (schaut doch selber nach)“
Weil mich das Leben bestrafte, wenn ich mir hierzulande die exotischen Illusionen leisten würde, die ich als Reisender in meiner Exterritorialität hätscheln darf, verfüge ich mich lieber an einen andern Ort: drei Wochen Sri Lanka.
Drei Wochen Funkstille.
Und außerdem hab ich dabei mein ganz persönliches Motiv des Noch:
Wenn erst die Jugend sich verzupft,
ziehn auch die frohen Tage,
und was du dann als Rente kriegst,
das ist noch sehr die Frage!
Ach, die Kanzlerin hat schon wieder mal nicht auf Schramms Moralpauke und Priols Witze gehört?
Und der Wallraff ist für Fairness auf dem Arbeitsmarkt? Obwohl da keiner groß drauf hört?
Und auf die kritischen Grobschmiede voller feynbeinigem Sinn für mehr Demokratie hört auch keiner außerhalb der Pfähle von Kleinbloggershausen?
Da treibt es auch die Politologenprofessores auf die Bühne, die ihnen die Welt bedeuten, und sprechen von einem „Gefühl der Ohnmacht“, das eine echte Gefahr für die demokratische Gesellschaft darstelle.
Also: nicht die reale Verteilung der massenhaften Erbärmlichkeiten der politischen Klasse an die erbärmlichen Massen ist das Problem, sondern das Gefühl der Verdrossenheit, das die Politisierten unter ihnen dabei beschleicht. Am Ende kriegen die noch eine Phobie und einen Verfolgungswahn dazu, und das Gesundheitswesen sieht sich von diesen Verrückten ungebührlich belastet.
Da muss man sich halt entscheiden: entweder man hegt seine Neurosen und tritt den zahlreichen Vereinen zur aktiven Verbesserung der verschlechterten Verhältnisse bei, oder man setzt sich hin und klärt das da draußen, worauf sich Gefühle normalerweise richten.
Könnte sein, dass dabei herauskommt, dass die Macht des Souveräns Volk darin besteht, sich seine eigene Ohnmacht alle vier Jahre ganz legal aufs Neue zu verordnen.