Im dritten Buch von Gullivers Reisen verschlägt es den Titelhelden auf eine schwebende Insel. Auf ihr lebt ein eigentümliches Geschlecht von Menschen. „Ihre Köpfe waren alle entweder nach rechts oder nach links geneigt; eines ihrer Augen war nach innen und das andere auf den Zenit gerichtet.“
Mir kommen diese Menschen bekannt vor, schon gleich, wenn ich lese, dass diese gelehrsamen Leute, sich ausschließlich mit Mathematik, Musik und - aus schicksalsgläubiger Angst – mit Astronomie/Astrologie beschäftigen.
Die Verachtung dieser zahlenverliebten Laputier für alle theoriegeleitete Praxis führt zu sehr unbefriedigenden Resultaten beim Hausbau oder anderen gewöhnlichen Tätigkeiten, was sie aber nicht weiter zu stören scheint.
Nun dächte man, dass eine derartig unsympathische, in der Luft schwebende Weltfremdheit von wirtschaftswissenschaftelnden Statistikern ihren eigenen Untergang in sich trüge.
Weit gefehlt!
Was das Regieren der normalen Beherrschten auf der Erde betrifft, da lässt es der König dieser Akademiker an nichts Zielführendem fehlen.
„Wenn sich irgendeine Stadt in eine Rebellion oder Meuterei einlassen, in heftige Parteikämpfe geraten oder sich weigern sollte, die gewöhnlichen Abgaben zu zahlen, so hat der König zwei Methoden, sie zum Gehorsam zu zwingen. Das erste und mildeste Verfahren besteht darin, die Insel über einer solchen Stadt und den umliegenden Ländereien schweben zu lassen, wodurch er den Einwohnern die Wohltat des Sonnenscheins und des Regens vorenthalten und sie folglich mit Hungersnot und Krankheiten bedrücken kann. ...“
Soweit die humanere der Varianten.
Könnte es sein, dass - wie schon Luther vor ihm – Swift bei der gegenstandsjenseitigen Willfährigkeit der Vernunft an La Puta (Hure) gedacht hat?
Es gibt eine überaus verbreitete Sorte und Methodik der Rettung eines beliebigen Kritisierten, die sich ihrer Menschlichkeit - in aller Bescheidenheit - rühmen darf gegenüber der anmaßenden Menschenverachtung des Kritikers.
Nehmen wir an, einer schreibt auf, was die Systemposition Kerkermeister macht und ausmacht. Dann dauert es vorhersagbar nicht lange und ein Humanist meldet sich mit seiner Beobachtung, er habe aber einen Kerkermeister kennen gelernt, der sei ja so was von einer Seele von Mensch...!, woran man sehen könne, dass die Konkretisierung der Einzelfallprüfung vor den Inhumanitäten der Abstraktion bewahre.
Ich nenne das mal, um das Urteil – den Leser aufreizend - vorweg zu nehmen, ein verschweintes Denken.
Unbekümmert um alles, was man so über das Sicherheitspersonal als Systemposition durchaus wissen könnte, wird so getan, als ob die Zufälligkeit einer Charaktereigenschaft in der Hierarchie der gesellschaftlichen Rollenpositionen nicht eine völlig unerhebliche Abschattierung des Wesens sei, sondern das eigentlich Wichtige und Interessierende. Man glaubt, in einem Hollywoodfilm oder einer Operette zu sitzen! Aber fest und steif sucht so ein philosophisches Schwein nach einer vom Futter des Trogs getrennten und eigentlichen Substanz.
So entstehen im selben Trog durch die konkretisierenden Hintergrundsinformationen aus eventuell interessierenden Themen jene uninteressanten Menschen wie du und ich.
In all diesen Fällen genügt es, die tatsächlichen Verhältnisse durch den Vorschlag eines Praxistests wiederherzustellen: soll doch der Sprecher mal sagen, ob er lieber ein gemütvoll einsitzender Zellenbewohner, oder ein gemütvoller Kerkermeister wäre.
Auch in diesem Fall ist nicht die Abstraktion zu kritisieren, sondern die falsche, die aus einem unerheblichen Attribut eine Wesensbestimmung der Sache fabriziert und gleichzeitig behauptet, man könne sowieso nicht Bescheid über nix wissen.
Ich bekenne, dass ich als Theoretiker etwas dagegen habe, Bestimmungen einer Sache nicht ihr selbst zu entnehmen, sondern über sie ganz von ferne – aus weiß Gott welchem Tieferen oder Höheren - zu bestimmen.
Als Mensch bin ich mir Theoretiker aber ziemlich egal und treibe es wie alle Welt. Halt so vor mich hin. Mit dem, was ich habe und bin.
„Es kommt darauf an, was man daraus macht.“
Sagt ein von Betonköpfen ersonnener Werbespruch, der die Verheerungen eines sturzbesoffenen Voluntarismus´ von fast schon flächendeckenden Ausmaßen in den Köpfen angerichtet hat.
Ungefähr 140.000 Einträge sind derzeit zu diesem Prädikatsatz (...„was man daraus macht“) ergooglebar. Die dazugemischten Subjekte ("X ist", ...) machen den Inhalt eines mittleren Wörterbuches aus, denen in aller Stupidität nur immer eines nachgesagt wird, dass es darauf ankäme, was man daraus macht.
Diese muntere Souveränität im kreativen Umgang mit jeglicher Materie suggeriert eine fröhlich stimmende Unabhängigkeit des Willens vom Gegenstand und seinen Gesetzen.
Ganz als ob man die Hühner nur umoperieren müsste, und schon hätte man lauter Adler.
Der missachtete Gegenstand wird seine Gesetzmäßigkeit gleichwohl gleichmütig gegen alle Illusionisten kehren, die im Umgang mit Konzernen, Konzentrationslagern, Kernreaktoren, Kriegswirtschaft, Krise...you name it... einfach mal so „was draus machen.“
Übrigens: genau das haben sie dann daraus gemacht.
Nur gut für die Macher, dass die Leute sich nichts daraus machen.
Am liebsten redet, wer nichts begreift, von der Weisheit, wie die Huren vom tugendhaften bürgerlichen Lebenswandel.
Weise Gedanken hat jeder, nur der Dumme verschweigt sie nicht.
Dass sich jeder Tölpel für weise halten kann, weil die Weisheit als Phänomen des Selbstbewußtseins („Oh, ich bin klug und weise, und mich betrügt man nicht“. Lortzings mehrfach des Gegenteils überführter Bürgermeister in: Zar und Zimmermann.) überhaupt nicht falsifizierbar ist, (Si tacuisses philosophus mansisses) hat ihr nach ca. 2000 Jahren gerechterweise die Clientel weitgehend entzogen.
Immerhin dürfte es schon etwas besagen, dass der Letzte, den die Weisheit umtrieb, Schopenhauer war:
- Es strebt der Mensch solang er irrt.
Und aus den Affen, die nichts hören, nichts sehen und sich auf die Fresse schlagen, ist der normale Abnicker abzuleiten.
Die Philosophen nach diesen Affen haben ihren Schülern zumindest in Rechnung gestellt, dass von der Ausrufung des modernen Staates an „das kälteste aller Ungeheuer“ (Nietzsche), nämlich der Staat und seine Gewalt, der individuellen Bewältigung der Lebensprobleme einen dicken Strich durch die Rechnung machen kann. Wenn die Dummheit regiert, wird man sehr viel Weisheit nötig haben. Und die Zurückgeworfenheit auf individuelle Verarbeitungstechniken greift seither doch besser auf Sokrates zurück: „Ich weiß, dass ich mir ´s nicht leisten kann, weise zu sein.“
Der Prediger Salomo hielt dafür: „Sei nicht allzu gerecht und allzu weise, damit du dich nicht zugrunde richtest.“ Darüber kommt keiner hinaus.
Auffällig auch, dass die Fürstenspiegel aus der Feder von Intellektuellen oder (seltener) aus der des Gewalthabers selber hinsichtlich des weisen Gebrauchs des freien Umspringens mit allem um alles andere kreisen als sich selbst: „Der Weisheit eine Gasse! Ein Leitfaden für Führungskräfte.“
Im Unterschied zu BMW, die mit diesem Slogan hausieren ging, bin ich fürs Weiterdenken nur im Zusammenhang mit weiter Denken.
Etymologisch von „sich der Muse entledigen, sich ihrer berauben“ herzuleiten.
Dieser Wink der Sprache über den Amüsierbetrieb der medialen Kulturwarenproduktion plaudert eine Wahrheit aus, die sogar dann noch stimmt, wenn er falsch ist.
Ishmael, der auch am neuen Ort gerne – und sehr unbefriedigend - mit dem Reichtum des vielsinnigen Wortes und der Kahlheit der symbolfreien Bedeutung spielte, wurde des öfteren auf folgendem Kalauer angetroffen:
„Der Tod wäre gar nicht weiter schlimm, wenn er nicht gleichzeitig eine Trennung wäre.“
-„Und was, o Hodscha, meinst du damit?"
-„Wenn ich das wüsste, müsste ich nicht so saudumm daherreden. Sag du mirs.“
…..
- „Chrrrrmmm, da wir gerade dabei sind,“ räusperte sich respektvoll einer seiner Schüler „oh Hodscha, wo sollen wir denn – Allah möge es verhindern! – aber wenn doch...wo möchtest du begraben sein?“
-"Wenn ihr mich wiederfinden wollt, dann begrabt mich am besten überall.“
- „???“-
-„Ein Leben lang habe ich nach mir gesucht und mich nicht gefunden.
Wie solltet ihr sonst einen, der nicht das Geringste von sich gefunden hat, jemals - und wozu überhaupt - wiederfinden?“
Einen Gedanken kapiert man, oder auch nicht, den Beziehungsaspekt von Sprache kann man verstehen, oder auch nicht.
Sollte daher die Hermeneutik beanspruchen, sie verstehe nicht nur, sondern sei auch fürs Kapieren zuständig, täuscht sie sich.
Umgekehrt erleidet manch ein Wissenschaftler Schiffbruch in den Untiefen des Tieferen, wenn er sein Wissen auch noch verstehen will.
Weisheit des Silen
"Lange Zeit jagte König Midas im Walde nach dem weisen Silen, dem Begleiter des Dionysus. König Midas wollte von ihm erfahren, was für den Menschen das Allerbeste und Allervorzüglichste sei. Als er ihn endlich gefangen hatte, widerstand der Gefangene und offenbarte die Wahrheit seinem Peiniger erst unter schwerster Folter:
"Elendes Eintagsgeschlecht, des Zufalls Kinder und der Mühsal, was zwingst du mich dir zu sagen, was nicht zu hören für dich das Ersprießlichste ist? Das Allerbeste ist für dich gänzlich unerreichbar: nicht geboren zu sein. Das Zweitbeste aber ist für dich - bald zu sterben."
Diese alte griechische Sage vom gefangenen und geschundenen Faun und seiner unliebsamen Wahrheit wurde erstmals von Herodot (490-425 v. Chr.) aufgeschrieben.
Etwas jünger aber in dieser Hinsicht genauso auskunftsfreudig ist die Bibel.
Im Buch Kohelet (auch „Prediger Salomo“) des alten Testaments finden sich Sprüche wie:
"Ich sah all das Tun, das unter der Sonne getan wurde und siehe, alles ist Hauch und Haschen nach Wind."
Dort steht auch das rettende Heilmittel nachzulesen, von dem keiner glaubt, dass es eines sei, weil schon der Ausgangspunkt für vermeidliche Verwerflichkeit gehalten wird:
"Sei nicht zu fromm, und übertreib es nicht mit deiner Weisheit!"
Dieser feine Epikuräismus hat seit der Zeit seiner erstmaligen Empfehlung (um 250 v. Chr.) nichts von seiner Angeratenheit verloren.
Leser dieses! Möge deine Flasche immer voll sein!
ist das Gegenteil von „Sich- etwas – einleuchten - lassen“.
Das auf diese Weise nicht Begriffene stellt eine enorme Willensleistung dar, unter Ausschaltung der Geisteskräfte Notwendigkeiten anzuerkennen, für die noch nicht einmal gute Gründe gefunden werden können.
Und gute Gründe sucht man bekanntlich, wenn man von dem Grund nichts wissen will.
Be-Urteilen
Da so schnell kein anderer dem je eigenhändig fabrizierten Maßstab genügen kann, besteht die Welt der höheren Primaten logischerweise aus lauter Leuten, die einander von Herzen gering schätzen.
Wozu sollte man diesen Irren widersprechen?
Voilà, das geräuschvolle Schweigen der Lämmer und ihrer Hirten.
Erklärungen
über unser Vorkommen in Zusammenhängen des demokratischen Kapitalismus werden allgemein als unbefriedigend bis unverdaulich empfunden.
Was ist es, das fehlt?
Das vollausgebildete moralische Individuum möchte in seiner zu erbringenden Leistung gewürdigt werden, um stolz auf sich sein zu dürfen. Seine erbrachte Anstrengung sieht sich aber nur als wenig imponierende abhängige Größe tituliert.
Dabei hätte dieses Ideologieprodukt Individuum es doch ganz leicht. Als mit Verstand, Wille und Gemüt begabtes Wesen bräuchte es sich eigentlich nur als solches aufzuführen.
Augenzeugenschaft
habe den Makel, dass sie ihrer erkenntnistheoretischen Unbedarftheit zum Opfer fällt, versichert uns der Philosoph.
Den Star würde ich ihm gerne stechen: der Obskurantismus hat sich schon immer gegen Klarsichtigkeit ausgesprochen.
Die richtige Beobachtung jüngerer Menschen, dass man dem machtlosen Alter gefahrlos seine inflexible Lächerlichkeit vorhalten darf, wenn es sich hartnäckig weigert, Jugendirresein als Entschuldigung für Unannehmbares zu akzeptieren.
Jenseits des do-it-yourself-Bereichs des Häuslebaus und der ihm assortierten Moral scheint die Denkhilfe des Zwecks gründlich aus der Welt zu sein.
Man merkt das daran, dass überall dort, wo den ZWECK zu thematisieren sich geradezu aufdrängt, flugs vom SINN der einzuordnenden Ungemütlichkeit die Rede ist.
Ich wette, dass auch der Leser dieser kleinen Intervention ein Problem der Trennung des einen vom anderen bekommt, weil „Sinn und Zweck“ in der redensartlichen Alltagsvernunft einen fraglosen Pleonasmus darstellen.
Man kann das leicht nachprüfen an der beliebten Empörung in Frageform: “Was soll das?“
Diese Frage nach dem Zweck stößt dem Frager immer dann auf, wenn er seine ihm geläufigen Zwecke als Sinn im Dargebotenen nicht automatisch wiedererkennt.
Häufig gibt das niederträchtige argumentative Anbieten einer Sache mit ihrem Grund allen Anlass, die eigenen höheren Zwecke in Anschlag zu bringen gegen diesen Verrat an der Sinnsphäre.
Andererseits, und das spricht doch sehr für die Trennung des Einen vom Anderen:
Wer vom Zweck einer Sache sich abgestoßen fühlt, neigt dazu, ihn zu leugnen, und ist auch dankbar für den von professionellen Auslegern herbeigebeteten Sinn der amerikanischen Weltordnungskriege und ihrer Raketen.
Manchen Mitteln ist ihr Verwendungszweck nun mal eindeutig einbeschrieben.
Wie umgekehrt genau so gilt, dass man aus Scheiße keine Kathedralen bauen kann.