Freitag, 31. Dezember 2010

Weihnachtsansprache

des großen Inszenators.

Machen wir´ s kurz und grob, weil es des längeren nicht der Mühe wert ist:

„Zu Weihnachten wünsche ich uns allen eine tragende Gemeinschaft - eine Familie und Freunde, die uns Heimat und Zuhause bedeuten. Lassen Sie uns immer wieder neu finden, was uns miteinander verbindet und zusammenhält.“

Also, ich suche und suche wunschgemäß nach irgendwelchen Gemeinsamkeiten, die ich ungehobelter Spalter mit dem Volksgemeinschaftsprediger aufweisen könnte. Ich lande immer nur bei dem Arschloch, das ich habe, und das der selbstgefällige Redner ist.

Vorläufige Bekanntmachung des „Ausschusses für die angemessene Körperhaltung von Leidenden“

Wir, die wir saubere Socken und Schuhe tragen,
Sind Ihrer barfüßig vorgetragenen Beschwerden überdrüssig,
Ihrer staubigen Fußabdrücke auf unseren soeben gereinigten Teppichen.

Müde sind wir auch Ihrer endlosen Tricks,
Diesen simulierten Amputationen, den erfundenen Kindern,
Mit denen Sie an den Passagen sich zusammenknäueln,
Ihrer Lumpen und Flaschen,
Der ungemütlichen Stellungen, die Sie dabei einnehmen.
Sie sehen uns jedoch beeindruckt
Von Ihrer Ausgezehrtheit und Ihrem Hunger und –
Frei heraus - wir finden Sie fotogen und Ihre Fotos
Sowohl alarmierend als auch ästhetisch befriedigend.

Etwas über ein Seufzen hinaus zu tun, wird einen komplexen Prozess
Von energischer Aufmerksamkeit bei der Untersuchung
Erfordern, einen Prozess, der derzeit
Im Entwicklungsstadium ist. In der Zwischenzeit würden wir vorschlagen,
Sie mäßigen Ihr öffentliches Herumleiden, zumindest so lange
Bis das Komitee über Angemessene Stellungen für die Leidenden
In der Lage ist, Leitlinien vorzulegen. Keine Panik.

Das Komitee hat mich gebeten Ihnen zu versichern,
Dass es nicht unberührt ist sowohl von den ästhetischen Qualitäten
Ihres Leidens – dieses stiere Starren, diese Schönheit aus der Gesichtschirurgie, wo das Fleisch zurücktritt und die Augen
Größer zu werden scheinen, diese Halos von Fliegen – als auch von Den physischen Grenzen menschlicher Leidensfähigkeit und der Positionierung von Gliedern.

Der Ausschuss wird, da bin ich sicher, Sie bitten,
Ihre nackten Kinder nicht emporzurecken wie Opfergaben an die Götter.
Die Diskussion über diesen Tagesordnungspunkt fokussierte sich
Auf den unfairen Vorteil, den solche Tricks den Eltern
Solcher Kinder verschaffen.
Die Kinderlosen, sei es durch eigenen Willen oder das Schicksal,
Sind ausgeliefert an ein schweigendes Dahinwelken an den Portalen,
Während die mit Kindern an den Avenuen mit voller Wucht
Ihre Kinder mit großen Gesten darreichen.
Dies verletzt unseren traditionellen Sinn für Fairness,
Jenen demokratischen Impuls, der unsere Diskussionen anleitet
Und ihnen ihre Energie verleiht. Daher bitten wir um Zurückhaltung,
Und wo es an Selbstzurücknahme mangeln sollte,
Werden wir die Legislatur bemühen.

Seien Sie also bitte vorgewarnt. Darüber hinaus wird das Komitee
Die Empfehlung aussprechen, dass das Rufen von Slogans,
Seien sie an die Regierung oder die Götter gerichtet,
Sich auf ein Minimum zu beschränken hätten.
Nicht nur, dass solches Herumschreien von Slogans
ästhetisch unerfreulich ist, es erweckt den Eindruck,
Dass da etwas getan werden sollte.
Glauben Sie mir, niemand ist sich Ihrer Lebenslage schärfer bewusst
Als wir, die wir sie täglich ignorieren müssen
Auf unserem Weg zum Capitol.
In dieser Angelegenheit bitten wir nur um etwas mehr Rücksichtnahme auf Ihre Mitbürger, die mit iPods, Brombeeren, Aktenkoffern,
Handys und Lattes jonglieren müssen. Die stetig
Voranschreiten müssen, oder von ebenso beladenen Mitbürgern
Unmittelbar hinter ihnen niedergetrampelt werden.

Ihr Rufen und Gestikulieren ist Ihrer Sache nicht dienlich.
Diejenigen unter uns, die von der Agentur beschäftigt werden,
Sind darauf vereidigt, den Überblick über Sie zu behalten.
Falls wir, wie Sie suggerieren, stattdessen Sie übersehen hätten
Wäre das ein Versehen, das ,ich bin mir da sicher, in unserem
Jährlichen Bericht Erwähnung finden wird.

Halten Sie sich vor Augen: Ihre Armut, Ihren Hunger
Ihre ästhetisch befriedigende, aber irritierende Präsenz
In unseren Eingängen, über unseren Heizungsentlüftungen, in unseren Metrotunneln und unter unseren Kraftfahrtstrassen
Aus der Welt zu schaffen, würde die Beseitigung der Agentur selbst Bedeuten und mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit
Einen Niedergang des Tourismus.

Diejenigen von uns, die bei der Agentur angestellt sind,
Haben weder das Stehvermögen, die Ausdauer, noch jenen
Aus dem Inneren herausscheinenden Hautton, den Sie
Dem schauenden Publikum bieten.
Abschließend muss ich jene, die Programme vorschlagen möchten,
Die auf Finanzierung und Aktionen hinauslaufen, daran erinnern,
Dass wir nicht damit beauftragt worden sind,
Ihr Leiden zu eliminieren sondern es ordnungsgemäß abzuwickeln.

(Übersetzung des

Preliminary Report from the Committee on Appropriate Postures for the Suffering
by Jon Davis

Copyright © 2010 by Jon Davis. Used by permission of Copper Canyon Press.)

Sentimentalität
Man zückt lieber das Taschentuch als das Portemonnaie.
Mehr gibt es eigentlich gar nicht über Weihnachten als gesellschaftlichen Ritus zu sagen.
Man kann aber auch glauben, dass das erfreulich erwärmte Konsumklima, in dem sich der Geist der Weihnacht so recht wohlig rekelt, und die von den Medien einvernehmlich registrierte Höhe der karitativen Spendenaufkommen nichts miteinander zu tun haben und schon gar nicht hier her gehören.

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