Freitag, 7. Januar 2011

„Es gibt nur das, was es gibt.

Das, was sein sollte, hat es nie gegeben.“
(Lenny Bruce)

Man kann es eigentlich gar nicht kürzer sagen, aber diese Idealismuskritik geht den hartnäckigen Idealisten seit jeher an ihren Sitzschwielen vorbei. Daher vielleicht doch noch ein kleines Verweilen bei der Thematik.

Das Problem ist nämlich, dass man dem Idealismus gar nicht entkommt. Er ist sozusagen die natürliche Einstellung des Geistes gegenüber der empörenden Realität. Sein Automatismus ist ebenso erschreckend wie das Zuschlagen eines Reflexes.

Idealismus ist schlimmer als die Masern. Man kriegt ihn immer wieder.

Selbst ich bin gegen seine ewige, diensteifrige Präsenz nicht gefeit und falle nur zu gerne und leider auch häufiger als mir lieb ist auf ihn herein.

Im Grunde ist das auch gar nicht immer gleich eine Katastrophe, sondern eine Art lässlicher Sünde, die nur geringen Schaden anrichtet. Zudem meistens nur bei den ihm auf den Leim Gegangenen.

Schlimm wird es nur, wenn diese lebensweltlich umlaufende ideelle Münze zum weltanschaulichen Prinzip mit dem üblichen absoluten Ausschließlichkeitsanspruch erhoben wird. Wenn also die bloße Anständigkeit im Umgang miteinander zur Religion des modernen Staates erhoben wird, zur Moral...

...dann ist plötzlich der selbstverständliche Respekt, den man klugerweise im Umgang mit den Nachbarn walten lässt, zu einer Gottheit erhoben, die dem Knecht seltsames, ihn schädigendes Gebaren, selbst in der Abwesenheit des Herrn gebietet.
Und selbstverständlich muss dann der Herr beim Schädigen des Knechts sagen, dass er das im Auftrag des sie beide vereinenden höheren Prinzips tut.
Und ist gehalten zu schließen mit einem höflichen „Verstanden, Sie armes Arschloch?“

Wesen und Erscheinung
Der einfältigste Einfall des Idealismus ist seine Trennung von Wesen und Erscheinung.

- So ist - nach dieser vorschlagsweisen Sortierung - die Idee des Liberalismus eine ganz vortreffliche, die geschichtlich auftauchenden FDP ler jedoch sind beklagenswerte Typen.
- Die Demokratie - mitsamt dem von ihr irgendwie doch gegen seine eigene Selbstdestruktion in Schutz genommenen Kapital - ist eine unübertreffliche Unkritikabilität, ihre globale Verwirklichung jedoch lamentabel.
- Der Faschismus der davon „verführten“ Idealisten ist selbst nach ´45 himmelweit zu unterscheiden von seiner abartigen Realisierung.
- Das Amt der ministerialen Ressorts ist ein sakrosanktes mit Heiligenschein, an dem gemessen selbstverständlich die Waltung und Verwesung des Amtes immerzu nach einer Auswechslung des unfähigen Personals schreit.
- Die Ehe ist eine vom Himmel selbst uns in den Schoß gefallene Gnade, und was hat der bürgerliche Staat daraus gemacht?

Und so weiter...in der Gedankenfigur, dass alles, was deiner Erfahrung und ihrer begrifflichen Fassung zugänglich ist, Maya sei, Blendwerk, Täuschung, das eines Urteils und der daraus folgenden Handlungen gar nicht wert ist, eben bloße Signatur einer hinter ihrer Negation aufscheinenden wahren Wirklichkeit.

Wer es nicht so mit den Ansprüchen des Idealismus hat, wird sich bescheiden auf eine Position beschränken, die gegen dessen Zumutungen daran festhält:
Wenn es denn das Wesen einer Sache ist, dann wird das ja wohl auch in Erscheinung treten.


Zyniker
Jene gemeinen und niederträchtigen Charaktere, die deine Wertschätzungen nicht teilen, und sich dann auch noch hinterlistig und völlig unberechtigt darüber beschweren, dass du auf ihren Seelen herumtrampelst mit deiner Missachtung ihrer Wertschätzungen.
cadiz - 7. Jan, 10:21

Trennung von Wesen und Erscheinung.

Diese Trennung ist beim Idealisten eine reine Kopfgeburt. Was das ganze so lästig macht ist zudem, daß in dieser Gesellschaft der den Dingen anheftende Gebräuchlichkeit nur Träger des "Tausch"werts ist, also im Wesent-lichen subsumiert ist. Dieser Vorgang ist keineswegs nur ein Gedankenspiel. Kann das eine - die Kopfgeburt des Idealos- aus dem Wesent-lichen, dem Wert, abgeleitet werden ?

gitano - 7. Jan, 12:30

Unter uns Pastorentöchtern...

Ja.
Aber das würde sehr viel länger dauern als der Gedanke Spass macht.
Für die Praxis des Aufklärens spielt das nur insoweit eine Rolle als ich nicht einfach dabeistehe und mir maul- und fingerfaul den Unsinn bloß anhöre, den beispielsweise ein sinn- und wertbewusster Westerwelle über "Freiheit zur Verantwortung" in die Gegend trötet.
antiferengi - 7. Jan, 11:12

Ups

Die Ideologielosigkeit als Ideal?
Mir gehen gerade die Ideen aus, wie ich die Welt verbessern könnte. Damit bin ich de-facto z.Zt. eines der harmlosesten menschlichen Wesen auf diesem Planeten. Aber du hast mich da auf eine Idee gebracht ....... :-))) (Kleiner Scherz ;-)

gitano - 7. Jan, 12:48

Idee>< Einfall

Meine Idealismuskritik läuft nicht auf die Abschaffung "gefährlicher Leute" hinaus.
Das ist die Aufgabe der Beamten und Angestellten der inneren Sicherheit.

Man kanns doch mal damit probieren, dem Ideal seine Herkunft vorzurechnen, und die schädlichen Fehler aufzuzählen die dieser Negationskünstler sich dabei methodisch leistet.

Gegen pfadfinderische Einfälle beim Kippen des Unverbesserlichen habe ich nichts einzuwenden.

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