Mittwoch, 24. November 2010

Ich stelle fest,

dass ich eigentlich gar keine rechte Lust habe, von dieser Reise nach Sri Lanka zurückzukehren zu den Deutschländern.

Im Frankfurter Flughafen warteten wir - nach dem elend langen Rückflug, also dem erbrachten Beweis für die Existenz eines modernen Heroismus´ - eineinhalb Stunden auf unser Gepäck, weil es – aus Dubai kommend – einer speziellen Kontrolle bedurfte. Tenor der verständnisinnigen Kommentare: „Man stelle sich bloß mal vor, es käme tatsächlich was vor.“
Am liebsten hätte ich auf dem Absatz kehrt gemacht und einen weiteren Flug aus der Festung raus mitten ins Terroristengewimmel da draußen gebucht.

Warum sieht da eigentlich keiner die objektive Maßlosigkeit des Anspruchs an Territorium und Territorialisierte?

Ich war schon so weit, dass ich an einem kleinen Mythos von meinem Verschwinden im ceylonesischen Dschungel bastelte. Der letzte Eintrag dieses blogs hätte dann skizzenhaft etwa so ausgesehen:

AN DIE LESER DIESES BLOGS

Mein Mann ist nicht wiedergekommen.
Ich habe seit zwei Wochen kein Lebenszeichen mehr von ihm.
Hier der Wortlaut seiner beiden letzten mails:

Bandarawela
da bin ich endlich wieder. Bei feuchten 33 Grad an einem Computer schwitzend, der sich hinter dem 2 Meter breiten Geschaefts-Schlauch eines Friseurs befindet.

Den Anstieg auf den Adams Peak (1000 Hoehenmeter rauf und runter) haben wir seit gestern hinter uns. Aufbruch nachts um 2 Uhr mit Taschenlampe. Ist ein Pilgerheiligtum fuer die Hindus, die Buddhisten, Christen und Moslems. Jeder erzaehlt darueber eine andere Geschichte. Unsere geht so: der Adam soll sich hierher begeben haben nach dem Rausschmiss aus dem Paradies, weil das hier dem Paradies noch am naehesten komme.
Kann ich nicht bestaetigen. Das Klima allein hat mir natuerlich wieder die uebliche Erkaeltung eingebracht. Ist jetzt aber wieder im Abklingen. Habe ich mir vermutlich auf der Elefantensafari zugezogen.
Ansonsten hat es hier alles moegliche Exotische in einem Traum von allen möglichen Gruens. Das kommt allerdings schon auch von den tropischen Regenfaellen, die es manchmal ernsthaft aufs Ersaeufen abgesehen haben.

Die Wanderungen halten sich (bis auf die Adams Peak Besteigung) in angenehmen Grenzen. Die Durchfallattacken auch.
Die Blutegel aber nicht. Die sind irgendwie sauscharf auf mein Blut.

Also jetzt kann ich den Schweissgeruch dieser Bude wirklich nicht mehr aushalten. Melde mich wieder, wenn ich einen anderen Terminal gefunden habe.

Kataragama
der Name der Stadt ist identisch mit dem eines Kriegsgottes und des Hasses.
Der hatte in der letzten Zeit hier viel Zulauf gehabt, im Gegensatz zu einem gewissen Gott Saman, der fuer die friedlichen Regelungen zustaendig ist. Die Tamil Tigers und andere Freiheitsluesterne hatten den anderen das Leben schwer gemacht, weil die Regierung ihnen das Leben schwer machte. Tja, und das zieht gemeinhin viele Tote nach sich. Wer mehr niedermetzeln kann, bleibt als regierende Gewalt uebrig.

Jetzt ist alles friedlich zwischen den Singhalesen und Tamilen. Kein Wunder, im ehemaligen Todesstreifen alle paar hundert Meter ein Bunker und ein Militaerposten.
Grund fuer Auflehnung gibt es genug. Aussagekraeftiges Beispiel: Die tamilischen Tee-Pflueckerinnen kriegen 175 Rupien pro achtstuendigem Arbeitstag. Das ist etwas mehr als ein Euro pro Tag.
Das Bier, das man in den ueberteuerten Hotels am Abend kriegt, kostet mehr als zwei Tagesloehne einer Pflueckerin. (420 Rupien) Ich komme da nicht drueber weg und lasse da lieber das Bier weg. Ich kann nicht irgendeinem Arschloch von Hoteleigentümer, der irgendwo im Westen meinen Beitrag zu seinem Wohlleben verprasst, das Geld nachschmeissen. Sorry, kriege ich nicht hin.

Dieser Tage ist Colombo in sintflutartigen Regenfaellen abgesoffen. Der Praesident musste im Boot zum Parlament schippern. Also ueber den Wassergraben seiner Burg und die dort normalerweise kasernierten Krokodile hinweg, die als Anti-terroristicum installiert wurden.

Morgen Aufbruch zur Dschungelwanderung.
Immer noch besser als dieses Grauen...das GRAUEN...!“

Er fehlt mir jetzt schon.

Renate Klotz


Tja, und jetzt sitze ich doch wieder am Computer und mache so vor mich hin.
Aber so ganz werde ich doch nicht mehr zurückkommen.
Das hängt irgendwie zusammen mit der Wahrheit des Spruchs:
“ Mit jedem Tag meines Lebens wächst zwangsläufig die Anzahl derer, die mich mal am Arsch lecken können.“

Menschliche Reife beginnt eben dort, wo die Sorge um deine Person größer wird als die um die Sorgen anderer.
kranich05 - 25. Nov, 12:11

Vorausschauend ein letztes Posting zu verfassen, die Idee hatte ich auch schon öfter. Der schöne Schlußsatz Deines Versuchs ist aber schon jetzt unübertroffen.
Mir fällt auf, daß, solange ich blogge, also schon einige Jahre, noch nie ein "mir nahestehendes Blog" (welch seltsames Gebilde) einfach verschwunden ist.
Ist das vielleicht ein Hinweis, daß es einen bisher ungeklärten Zusammenhang zwischen Bloggen und Unsterblichkeit gibt?

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