Donnerstag, 13. Januar 2011

Liebe Frau Dr. Laura!*

Vielen Dank, dass Sie in Ihren Radiosendungen sich so sehr erzieherisch bemühen, den Menschen die Gesetze Gottes näher zu bringen.
Ich habe aus Ihrer Sendung viel gelernt und versuche das Wissen mit so vielen Anderen wie nur möglich zu teilen. So sagten Sie neulich, dass Homosexualität unter keinen Umständen verziehen werden könne. Wenn etwa jemand versucht, seinen homosexuellen Lebenswandel zu verteidigen, erinnere ich ihn einfach an das Buch Moses 3, Leviticus 18:22, wo klar festgestellt wird, dass es sich dabei um ein Greuel handelt. Ende der Debatte!

Ich benötige allerdings ein paar Ratschläge von Ihnen im Hinblick auf einige der speziellen Gesetze und wie sie zu befolgen sind:

- Wenn ich am Altar einen Stier als Brandopfer darbiete, weiß ich, dass dies dem Herrn einen lieblichen Geruch erzeugt (Lev. 1:9). Das Problem sind meine Nachbarn. Sie behaupten, der Geruch sei nicht lieblich für sie. Soll ich sie zerschmettern?

- Ich würde gerne meine Tochter in die Sklaverei verkaufen, wie es in Exodus 21:7 abgesegnet wird. Was wäre Ihrer Meinung nach heutzutage ein angemessener Preis für sie?

- Ich weiß, dass ich mit keiner Frau in Kontakt treten darf, wenn sie sich in der Periode ihres unreinen Blutflusses befindet (Lev. 15:19-24). Das Problem ist, wie kann ich das wissen? Ich hab versucht zu fragen, aber die meisten Frauen nehmen daran Anstoß.

- Lev. 25:44 stellt fest, dass ich tatsächlich Sklaven besitzen darf, sowohl männliche als auch weibliche, vorausgesetzt ich habe sie von benachbarten Nationen erwerbe. Einer meiner Freunde meint, das würde auf Mexikaner zutreffen, aber nicht auf Kanadier. Können Sie das klären? Warum darf ich keine Kanadier besitzen?

- Ich habe einen Nachbarn, der nicht davon lässt am Samstag zu arbeiten. Exodus 35:2 stellt eindeutig fest, dass er getötet werden muss. Bin ich moralisch verpflichtet, ihn eigenhändig zu töten?

-Ein Freund von mir meint, obwohl das Essen von allem, was “nicht Flossen und Schuppen hat im Wasser“ [z. B. Muscheln oder Hummer] ein Greuel darstellt (Lev. 11:10), sei das ein geringeres Greuel als Homosexualität. Ich kann dem nicht zustimmen. Könnten Sie die Streitfrage klären?

- In Lev. 21:20 wird statuiert, dass ich mich dem Altar Gottes nicht nähern darf, wenn ich einen Augendefekt habe. Ich muss zugeben, dass ich eine Lesebrille trage. Muss meine Sehkraft 100 % betragen, oder gibt es da einen Interpretationsspielraum?

- Die meisten meiner männlichen Freunde lassen sich ihre Haare schneiden, sogar die Haare ihrer Schläfen, obwohl das ausdrücklich durch Lev. 19:27 verboten wird. Wie sollen sie sterben?

- Ich weiß aus Lev. 11:16-8, dass das Berühren der Haut eines toten Schweins mich unrein macht. Darf ich aber dennoch Fußball spielen, wenn ich dabei Handschuhe anziehe?

- Mein Onkel hat einen Bauernhof. Er verletzt Lev. 19:19, weil er zwei verschiedene Saaten auf ein und demselben Feld anpflanzt. Darüber hinaus trägt seine Frau Kleider, die aus zwei verschiedenen Stoffen gemacht sind (Baumwolle/Polyester). Er neigt außerdem zu häufigem Lästern und Fluchen.
Ist es wirklich notwendig, dass wir den ganzen Aufwand betreiben, das ganze Dorf zusammenzurufen, um sie zu steinigen (Lev. 24:10-16)? Genügt es nicht, wenn wir sie in einer kleinen, familiären Zeremonie verbrennen, wie man es ja auch mit Leuten macht, die mit ihren Schwiegermüttern schlafen? (Lev. 20:14)

Ich weiß, dass Sie diese Fragen umfassen studiert haben, daher bin ich auch zuversichtlich, dass Sie uns behilflich sein können.

Und vielen Dank nochmals dafür, dass Sie uns daran erinnern, dass Gottes Wort ewig und unabänderlich ist.
Ihr ergebener Fan
Jim
(ein anonymer Hörer und Jünger in diesem Offenen Brief, der seit längerem im internet kreist)

*Laura Schlessinger ist eine US-Radio-Moderatorin. Sie erteilt Leuten, die in ihrer Sendung anrufen, Ratschläge über einen orthodoxen Lebenswandel.

[Um Verzicht auf exegetische Belehrung über den Stellenwert dieser satirischen Einforderung der Unabänderlichkeit der Offenbarung wird gebeten. Die kenne ich als ausgefuchster Hermeneutiker alle selber. Bis hin zu den offenen Lügen darüber.]

Mein Onkel
mütterlicherseits war ein frommer Mann, der mich gerne in seine Weltsicht einweihte.
Onkel Josef also klärte mich eines Sonntagmorgens darüber auf, was es mit diesen fröhlichen, im Schweinsgalopp vorbeitrabenden Läufern auf sich habe, die man nie in der Kirche zu sehen bekam: „Die vergotten eben ihren Leib.“

Nach dem Muster von „Wo der Glaube auszieht, zieht der Aberglaube ein“ konnte sein Menschenbild sich nur das Auswechseln von ideellen Abhängigkeiten vorstellen.

Warum ich das erzähle?

Weil auch die allermeisten Leser dieses Memorabiles nicht von sich aus darauf gekommen wären, dass die von mir befragten Langläufer verdutzt meinten:“ Ich laufe weil es mir Spaß macht.“

Ein Argument
Wäre - und ist - die Sache mit dem außer ihr selbst liegenden Grund.
Die Moral hingegen hält sich selbst schon für ein Argument.

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